Das Erbe - Das Tal - Season 2 ; Bd. 2
Oder Isabel? Die beiden trugen die Verantwortung, nicht Rose. Aber von ihnen war nichts zu hören und nichts zu sehen.
»Wir sind in Sicherheit«, behauptete Rose und versuchte, in ihre Stimme eine feste Überzeugung zu legen, die sie nicht wirklich empfand. »Uns kann nichts passieren.«
Das College hatte für diesen Fall vorgesorgt. Niemand konnte von außen ohne einen speziellen Code hinein, und wenn jemand auf die Idee kam, den Raum verlassen wollen, war nur Mrs Hill in der Lage, das Sicherheitssystem zu deaktivieren. Aber noch immer deutete nichts darauf hin, dass die Dozentin aus ihrer Schockstarre erwachte.
Rose dachte nach. Sie mussten davon ausgehen, dass dort draußen jemand war, der eine ernsthafte Bedrohung für das College war, sonst hätte der Dean nicht die 111 ausgegeben.
»Weg von der Tür«, befahl Rose. »Wenn das kein Probealarm ist, dann müssen wir mit einem Amokläufer im Gebäude rechnen. Ein Amoklauf, versteht ihr denn nicht?«
Sie hätte es nicht wiederholen sollen. Sofort kochte die Panik im Raum hoch. Debbie begann erneut zu schreien, das Weinen wurde lauter und diesmal ließ sie sich nicht stoppen. Ein paar Mädchen, darunter Felicitas und Jana, rannten durch den Raum, trommelten gegen die Jalousien. Nikita, ein drahtiger Dunkelhaariger, der Leichtathletikstar des Colleges, versuchte, unter den Tisch zu kriechen. Es herrschte das pure Chaos.
Und niemand kam Rose zu Hilfe. Niemand sorgte für Ruhe.
»Weg von der Tür und den Fenstern«, versuchte sie, sich vergeblich Gehör zu verschaffen.
Keiner reagierte. Jetzt fühlte auch Rose die Angst, die sie bis jetzt krampfhaft unterdrückt hatte. Der Schweiß lief ihr inzwischen den Rücken hinunter. Sie fühlte sich klatschnass. Das ist der Super-GAU, dachte sie, und ich bin die Einzige, die einen klaren Kopf behält.
Was war mit Tom? Er war gekommen, um sie zu warnen, und jetzt war nichts von ihm zu hören. Ihr Blick suchte ihn im Halbdunkel. Er stand noch immer vorne neben dem Pult und bewegte sich nicht. Nicht, dass sie wirklich sein Gesicht erkennen konnte, aber sie hatte den Eindruck, als verfolgte er das Geschehen mit kaltem Interesse.
»Okay, hört zu!« Rose konnte nicht glauben, dass es sich tatsächlich um ihre Stimme handelte. »Versteht ihr, ihr müsst euch ruhig verhalten. Er darf nicht auf euch aufmerksam werden.«
Er.
Wer immer er auch war.
Oder sie?
Egal. Es spielte keine Rolle.
»Weg von der Tür. Und dann legt ihr euch alle auf den Boden. Geht einfach in Deckung.«
Kaum hatte sie den Satz beendet, ertönte von draußen ein Schuss.
»Oh Gott«, hörte Rose jemanden flüstern. Julia. »Das ist kein Probealarm. Da draußen schießt tatsächlich jemand.« Und im nächsten Moment brüllte Katie: »UNTER DIE TISCHE: KÖPFE UNTER DIE TISCHE!«
Rose hörte es mehr, als sie sah, wie sich alle nacheinander zu Boden fallen ließen. Sich hinter Rucksäcken und Taschen verschanzten. Taylor, einer der Riesen aus der Football-Mannschaft, schob sich schützend vor zwei Mädchen, Jenn und Marie, die weinend unter einem Tisch hockten. Nur noch wenige rannten hektisch hin und her, auf der Suche nach dem Platz, der am weitesten von Fenstern und der Tür entfernt war.
»KÖPFE UNTER DIE TISCHE!«, schrie jetzt auch Chris und dann hörte sie wieder Katie rufen: »Und seid leise, verflucht noch mal.«
Langsam verstummten die Stimmen im Raum. Hier und da ein leises Wimmern, vielleicht sogar ein Gebet.
Auch Debbie war zu Boden gegangen. Ihre Hand umklammerte Roses rechtes Bein. »Rose, Rose. Hilf mir. Bitte hilf uns.«
Rose zog Debbie mit sich unter einen der Tische: »Sei endlich still, Debbie. Wir sind hier in Sicherheit. Aber wir müssen ruhig bleiben. Einfach ruhig bleiben. Niemand darf davon erfahren, dass wir hier drinnen sind.«
Rose wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, die sie unter dem Tisch verbrachte, ohne Debbie loszulassen. Ihre Mitbewohnerin konnte nicht aufhören zu jammern: »Warum bin ich zurückgekommen? Warum bin ich zurückgekommen? Dieser Ort bringt Unglück, Rose. Das Tal bringt Unglück.«
Rose musste sich mit aller Kraft beherrschen, nicht ihre Hand auf ihren Mund zu pressen, um sie zum Schweigen zu bringen. Sie lenkte sich ab, indem sie auf die Geräusche draußen hörte. Sie mochte sich nicht vorstellen, welche Panik auf den Fluren herrschte. Nur gedämpft hörten sie Menschen rennen. Sie suchten nach einem Versteck. Einem Schutz. Dann ab und zu laute Stimmen, ohne dass sie die Worte verstehen
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