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Das Fest Der Fliegen

Das Fest Der Fliegen

Titel: Das Fest Der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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leuchtend über dem Haus stand und die glasierten Dachziegel glänzen ließ. In seinen Zimmern im ersten Stock versuchte der Großabt vergeblich, Ruhe zu finden. Der Whisky reichte dafür nicht mehr. Burton fühlte sich elend und verlassen. Er fragte sich, ob die Gebenedeite, für die er die Legio Angelorum geschaffen hatte, ihn dem Satan preisgab. Konnte es sein, dass sie seiner Liebe überdrüssig war? Ständig hatte er die beiden Porträts in der Vernissage vor Augen. Ranuccio. Domingo. Hatte er zu lange vor den Bildern gestanden? Der Maler hatte ihn nicht beobachtet. Er war sicher, dass Alexander Swoboda keinen Verdacht gegen ihn hegte, aber ohne Zweifel war er auf der Spur einer Verbindung von Ranuccio und Domingo. Sonst hätte er nicht beide gemalt. Burton lief mit gesenktem Blick in seinem Zimmer auf und ab. Er versuchte, auf den dunklen Holzbohlen eine Botschaft zu erkennen. Er war sicher, dass Maria etwas vor seine Füße geschrieben hatte, eine Anweisung, geschrieben mit dem Blut Christi, die er nur finden und lesen müsste, damit sich alles klar ordnete, was jetzt noch verknäuelt war und seinen Verstand verwirrte. War der Polizei das Geständnis Ranuccios bekannt? Konnte Schnaubert es Swoboda gezeigt haben? Dieses Geständnis war eine Beichte, am Altar hinterlegt, wie der Pfarrer ihm kurz vor seinem Tod gesagt hatte. Niemals hätte er das Geheimnis der Beichte gebrochen. Aber warum diese Tizian-Farben? Und wie kam Swoboda auf Domingos Gesicht? Maria schenkte ihm keine erlösende Schrift. Die Fragen verdrehten sich zu Spiralen mit scharfem Gewinde, die sich tiefer in seinen Kopf bohrten. Er hob die Hände an die Schläfen und wollte schreien. Da wurde aus dem Schmerz ein Licht, und plötzlich erkannte Leicester Burton, dass er aufhören musste zu denken. Für ihn wurde im Himmel gedacht. Die Heilige Jungfrau dachte für ihn, plante für ihn. Er musste nur beten. Inständig beten. Er ließ sich auf die Knie fallen. »Ave Maria gratia plena, Dominus tecum. Benedicta tu in mulieribus et benedictus fructus ventris tui – Jesus. Sancta
    Maria mater dei. Gebenedeite, Einzige, Allgeliebte, Gottesmutter, Mutter! Verlass mich nicht, lass mich nicht versinken in Zweifeln, hilf mir aus der Not meines Herzens!«
Seine Stimme war während des Gebetes lauter geworden.
Den letzten Satz hatte er voller Verzweiflung geschrien.
Ohne zu klopfen, öffnete Phillippe de la Chambre leise die
Tür und sah den Großabt in der Mitte seines Arbeitszimmers knien, vornübergebeugt, die Stirn auf dem Boden.
»Petrus Venerandus?«
Doch der hörte ihn nicht. Er war nicht mehr bei sich. Mit
geschlossenen Augen betete er weiter.
»O Mutter der ewigen Liebe, wollest du meine Worte nicht
verschmähen, sondern höre mich gnädig an. Mutter! Mutter! Höre deinen Sohn!«
De la Chambre schloss die Tür lautlos. Unschlüssig blieb
er stehen und horchte.
Im Zimmer war es jetzt still.

X Der griechische Zeuge
    Das Kreischen der Möwen begleitete die Fähre bis kurz vor den Hafen von Limenas. Swoboda hatte sich schon bei der Ausfahrt in Keramoti auf eine der rot lackierten Lattenbänke des Oberdecks gesetzt, nah an der Reling, während Turbo sich ins Schiffsinnere auf einen der braunen Plastiksessel verzogen hatte. Ihm war der etwas holperige Flug nach Kavalla nicht bekommen, sein Zustand hatte sich auf der Taxifahrt vom Flughafen Megas Alexandros zur Fähre nicht gebessert, und von der Überfahrt nach Thassos fürchtete er das Schlimmste. Swoboda genoss den Wind, hielt seinen Panamahut auf den Knien fest und beobachtete den Flug der Möwen, die schrien wie kämpfende Katzen und quietschten wie alte Türen, während sie nach den Brotbrocken schnappten, die einige Passagiere ihnen zuwarfen. Die Vögel fingen mit ihren schmalen Schnäbeln zielsicher das Futter aus der Luft. Er bewunderte sie. Im gierigen Schwarm vermieden sie mit waghalsigen Ausweichmanövern Kollisionen, wechselten hoch übers Deck treibend die Schiffsseiten, wenn jenseits ein neuer Fütterer auftauchte, ließen sich zurückfallen, holten auf und vollführten dabei einen Lärm, der die Motoren der Fähre übertönte. Der Maler skizzierte ihre Gestalt auf einer Leinwand in seinem Kopf, merkte sich den weißen Bauch, bei manchen schwarz getüpfelt, die Flügel hell- und dunkelgrau gesprenkelt, die Steuerfedern im Schwanzfächer bei einigen rosa, die hängenden Füße gelb. Er nahm ihr Bild auf vor der breiten Schaumspur, die das Schiff im Meer hinterließ. Weiter entfernt hielten sich

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