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Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Titel: Das Gegenteil von Schokolade - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirijam Muentefering
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steht und kocht. Eine Frau, die sich nicht umdreht, mir ihr Gesicht nicht zeigt.
    Ich stelle mir vor, sie sei blond. Mit kurzen Haaren, von denen am Pony eine Strähne immer in ihre Stirn fällt.
    Sie ist so rasend schnell. Immer unterwegs. Ich sehe ihr Leben vor mir wie eine Aneinanderreihung aus Verabredungen, verrückten Einfällen und kranken Tieren, um die sie sich kümmert. Wäre überhaupt Platz in ihrem Leben für eine wie mich? Die ihre Seligkeit in Hundespaziergängen findet und für alles einen Tick länger braucht?
    Und dann ihre Ideale. Ihre goldenen Regeln, die sie sich für die Liebe erfunden hat. Kann ich denen denn genügen, mit meinen vielen ›Vielleichts‹ und ›Ich weiß noch nicht‹, die mich im Moment ausfüllen?
    Ich sollte mit jemandem über meine Zweifel reden.
    Mal wieder fällt mir Lothar als Erster ein. Aber zufällig weiß ich, dass er heute Abend eine Verabredung mit Sandra hat. Wahrscheinlich inklusive Frühlingstigerstimme.
    Und Katja kommt auch nicht recht infrage. Ich glaube, wir müssen erst mal wieder richtig geraderücken, was zwischen uns ein bisschen schief geraten ist. Eine Diskussion mit ihr um Für und Wider möglicher Beziehungspartnerinnen scheidet momentan also aus.
    Michelin fällt sowieso raus. Die muss ihre lampenfiebergeplagte Angela betreuen, damit die nicht vor der Premiere morgen durchdreht.
    Ich schaue zum Schreibtisch und gleich wieder weg.
    Das ist jetzt nicht mein Ernst.
    Ich kann unmöglich glauben, ich könnte mit Emma darüber reden. Sie ist nun wirklich die Letzte, die ich zu meinen Zweifeln und Visionen, Antonie betreffend, befragen sollte.
    Aber einfach so mit ihr reden. Hören, wie es ihr geht. Das wird doch wohl drin sein.
    Kaum habe ich mich selbst überzeugt, sitze ich mal wieder am Rechner und gebe mein Kennwort ein.
    Unruhig rutsche ich auf dem Stuhl herum und gehe gleich über »Mitglied suchen«.
    Aber Emma ist nicht da.
    Das bringt mich ziemlich durcheinander.
    Seit zig Wochen konnte ich mich darauf verlassen, dass sie spätabends um diese Uhrzeit im Netz war. Und jetzt ist sie nicht da.
    Das ist wohl der Moment, in dem ich endgültig begreife, dass sich mit Emmas Besuch gestern alles geändert hat.

    Am nächsten Tag bin ich ein Nervenbündel.
    Alle sprechen mich darauf an.
    »Alles okay mit Ihnen?«, fragt mich der Redaktionschef in Köln nach meinem gestammelten Statement in der Sitzung.
    »Mann, ich glaube, wir sind alle irgendwie urlaubsreif, oder?«, lautet der Kommentar einer Kollegin zu meinem wilden Stunt, den ich mit zwei Kaffeebechern hinlege.
    »Frauke, jetzt mal ganz ehrlich«, meint Michelin, die durch die letzten Tage mit der hypernervösen Angela auch schon etwas angefressen wirkt, später im Büro. »Du wirst es überleben. Und zwar ohne große Komplikationen.«
    Angela selbst ist die Einzige, der es nicht auffällt, dass ich wie Espenlaub zittere. Zugegeben, sie übertrifft mich wahrscheinlich darin noch ein gutes Stück. Obwohl sie sich heute den Tag wohlweislich freigenommen hat, macht sie nicht gerade einen entspannten Eindruck. Sie sitzt im angrenzenden Wohnraum herum, murmelt Textpassagen, trinkt literweise »beruhigenden« Kräutertee und fragt dreimal nach der Uhrzeit, um unsere Angabe mit ihrer Armbanduhr zu vergleichen.
    Am Nachmittag sind wir alle drei ziemlich mit den Nerven runter.
    »Ich geh nach Hause!«, verkünde ich, und Loulou springt sofort auf. Sie hat ein untrügliches Gefühl dafür, wann ich aufbrechen will. Offenbar scheint sie der Meinung zu sein, dass ich es damit jetzt sehr eilig habe. »Ich hab seit heute Morgen zwei neue Aufträge im Trockenen, und da habe ich mir doch wohl eine Ruhepause vor dem großen Abend verdient.«
    Angela hebt theaterreif ihre Hände in einer Geste, die vor zu hohen Erwartungen warnen soll. Und ich bringe es nicht fertig, ihr zu sagen, dass ich nicht deswegen so aufgeregt bin, weil ich um die von ihr zu erwartenden schauspielerischen Leistungen bange.
    Michelin verdrückt sich diplomatisch auch jeden Kommentar. Und so werde ich zur Verabschiedung von Angela ganz besonders herzlich umarmt, weil ich »so mitleide«. Ich nehme mir vor, ihr heute Abend auf der Premierenfeier reinen Wein einzuschenken.
    Loulou und ich nehmen den Umweg durch den Wald. Die Bäume machen mich immer ruhiger. Aber es ist so stürmisch heute. Die Äste knallen gegeneinander und peitschen mit ihren Zweigen.
    Ich muss doch nur ich sein.
    Wenn ich es schaffe, echt und wahrhaftig zu bleiben, dann wird

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