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Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Titel: Das Gegenteil von Schokolade - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirijam Muentefering
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Kartons verstaute.
    »Ich kann das nicht«, hatte er gemurmelt. »Ich kann dir nicht dabei helfen, deine Sachen einzupacken und hier wegzutragen. Ich kann’s nicht, weil ich eigentlich nicht will, dass du gehst.«
    »Ach, Lothar«, hatte ich erwidert, war vom Boden aufgestanden und hatte ihn umarmt. Er ist ein weicher Mann, keiner von diesen knallharten Typen, die nichts umwerfen kann. Nein, Lothar ist wohl sensibler und empfindsamer als ich. Er litt sehr unter der Trennung, obwohl wir beide sie gewollt hatten.
    Es gibt Zeiten im Leben, in denen erleben wir Außergewöhnliches. Könnte sein, dass es etwas Schönes, Großes, Wunderbares ist. Etwas, das uns verändert, von rechts nach links zieht, uns voranschreiten lässt mit Siebenmeilenstiefeln auf dem Weg zum umfassenden Glück, nach dem wir alle auf der ständigen Suche sind.
    Könnte aber auch sein, dass es etwas Trauriges ist, ebenfalls Großes, aber Wunden Schlagendes. Etwas, das uns den Rückzug antreten lässt in unser Schneckenhaus, verharrend in einer angstvollen Erstarrung vor dem Schrecken des Schmerzes.
    Könnte sein, dass es sich hierbei um eine Trennung handelt. Eine Trennung aus einer liebevollen Beziehung, die ehemals etwas Schönes, Großes, Wunderbares war und dann den Weg mitten hinein in das Verhängnis Treibsand genommen hat.
    Als mir zum ersten Mal bewusst wurde, dass ich mich mit Lothar nicht mehr wie ein Paar fühlte, sondern eher wie mit meinem besten Kumpel, war ich gerade auf einer kleinen Drehreise in England unterwegs. Ich war in den nächsten Supermarkt gerannt, hatte mir vier Sixpacks Bier gekauft und mich heillos betrunken. Die nächsten Tage arbeitete ich wie eine Bekloppte und brachte das ganze Team zum Schwitzen.
    Am letzten Abend der Reise versuchte ich mich sogar dadurch abzulenken, indem ich mit dem Kameraassistenten knutschte. Aber das half mir auch nur diesen einen Abend und verursachte einen moralischen Schluckauf, in Form eines wochenlangen schlechten Gewissens, wann immer ich seinem traurigen Gesicht auf meinem Weg zum Schnittplatz in der Firma begegnete. Egal, was ich versuchte, es blieb dabei: Die Beziehung, die Lothar und ich sechs Jahre lang geführt hatten, war am Ende. Und ich hatte keine Erklärung dafür.
    Vielleicht lausche ich deshalb nun Abend für Abend in diesem windigen Oktober dem Baum vorm Fenster. Weil ich hoffe, irgendwo eine Antwort darauf zu finden, wie so etwas eigentlich passieren kann.
    Liebe ist eine sonderbare Macht, die uns beherrscht und führt, die uns selbstverständlich wird und plötzlich im Spiegel das eigne Gesicht nicht mehr erkennen lässt. Ratlos stehen wir da, können es nicht fassen und schütteln den Kopf.
    Und sind dann irgendwann so weit, nachts um eins mit dem Telefonhörer in der Hand in der Wohnung auf und ab zu laufen.
    Es gibt nur ein paar Menschen, die ich mitten in der Nacht ohne einen Grund anrufen würde. Aber Katja, meine Cousine und erklärte beste Freundin seit Kindergartenzeiten, liegt viele hundert Kilometer entfernt von hier in einem Münchner Hotelbett und braucht ihren Schlaf für die morgige Fachtagung.
    Lothar möchte ich nicht schon wieder in mein Seelendilemma hineinziehen.
    Und Michelin, meine liebe Arbeitskollegin in unserem kleinen Zwei-Frauen-Journalistinnen-Büro, hat heute bei Arbeitsschluss erzählt, dass sie ihre Freundin Angela zum gemütlichen Abend erwartete. Wahrscheinlich ist sie jetzt also nicht allein. Und es wäre mir peinlich zu stören. Auch wenn Michelin beteuert, dass ich jederzeit anrufen kann. Sie hat sich immer sehr um mich gekümmert. Keine dummen Fragen gestellt nach dem Warum und Wieso, war einfach nur da und hatte Verständnis für jeden Tränenschub und Wutausbruch und so manchen schweigsamen Nachmittag in unserem Büro. Michelin hat es auch fertig gebracht, ihrem guten Freund Lothar und mir gleichermaßen Trost entgegenzubringen.
    Sie hat es also wirklich nicht verdient, dass ich sie um ein Uhr nachts aus dem Bett schelle.
    Ich schiele zum Computer.
    Das habe ich ganz genau gemerkt.
    Dass ich regelrecht dahin geschielt habe.
    Nicht so direkt hingeschaut. Auch nicht das Ding mit dem Blick gestreift. Nein, ich habe hingeschielt.
    Und ich werde das sicher nicht machen. Ich werde mich nicht schon wieder hinsetzen und auf den Bildschirm starren, während andere sich unterhalten, Witze machen, flirten.
    Nein, das werde ich nicht tun.
    Lieber gehe ich eine Runde in die Küche und hole mir etwas Milch mit Honig und drei bis fünf Kekse als

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