Das Geheimnis der Moorleiche
gewonnen,
Tim mit einigen weiteren Sprüngen von seinem Baum geglänzt hatte und Klößchen
seine unvermeidliche »Arschbombe« abgeliefert hatte, lagen die vier jetzt in
der Sonne und schwiegen zufrieden. Nur Oskar war am Ufer unterwegs, schnüffelte
hier und da, immer auf der Suche nach interessanten Geruchsinformationen.
»Ist das schön...«, seufzte
Gaby. Sie rollte sich katzenhaft von der Rücken- in die Bauchlage und reichte
Tim lächelnd die Sonnencreme.
»Herrlich«, grunzte Klößchen
wohlig.
»Und alles nur für uns«, fügte
Tim hinzu, als er Gaby den Rücken eincremte.
Nur Karl musste an etwas
denken, das ihn die Stirn runzeln ließ. »Habt ihr das von Gurinders Vater
gehört?«
»Was ist mit ihm?«, horchte
Klößchen auf.
»Er wurde überfallen.«
Gaby hatte bereits von ihrem
Vater von diesem Vorfall gehört. Gurinder war ein Freund der vier, der wie Gaby
und Karl das Internat als Externer besuchte. Doch heute war er nicht in der
Schule gewesen. Sein Vater kam aus Indien, war ein gläubiger Sikh und arbeitete
als Taxifahrer. Wegen des Turbans, den er trug, hatte man ihn schon öfter fälschlicherweise
als Terrorist beschimpft. Dabei war der Turban nur Zeichen seines friedlichen
Glaubens. Jetzt hatte eine Bande Jugendlicher ihn sogar verprügelt — aus
Fremdenhass. Wer die Jugendlichen waren, hatte die Polizei bislang jedoch nicht
ermitteln können.
Gaby merkte, wie betrübt Karl
über den Vorfall war, und wollte ihn trösten. »Gurinders Vater geht es den
Umständen entsprechend gut. Er wird wieder gesund.«
»Ich dachte, in unserer Stadt
passiert so etwas nicht«, seufzte Karl. Er mochte Gurinder und machte sich
Sorgen. War sein Freund hier überhaupt noch sicher? Die Gruppe schwieg eine
Weile betroffen.
Plötzlich sah Gaby sich suchend
um. »Wo ist eigentlich Oskar?«
Tim sah zum Ufer. »Eben war er
noch da drüben...«
Doch von Oskar war weit und
breit nichts mehr zu sehen.
»Oskar, hierher!«
Gaby sprang besorgt auf.
»Oskar!«
Auch die Jungs riefen nach ihm
und suchten die nähere Umgebung ab. Fehlanzeige.
Oskar war weg.
Die Freunde teilten sich auf und
suchten jeder in einer
anderen Himmelsrichtung nach ihrem Freund. Tim durchkämmte den nördlichen Teil
des Wäldchens, rief und pfiff nach Oskar, doch der kleine Cockerspaniel ließ
sich nicht blicken.
Der Klingelton einer
ankommenden SMS piepte durch den Wald. Tim sah auf sein Handy, in der Hoffnung,
einer der anderen würde melden, er habe Oskar gefunden. Doch die SMS war von
seiner Mutter. Tim verstand sich gut mit ihr und freute sich. Sie simsten oder
mailten sich jeden Tag, alle paar Tage riefen sie sich an. Seine Mutter lebte
vier Stunden Zugfahrt entfernt, in Tims eigentlicher Heimatstadt. Sein Vater
war vor einigen Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen, Doch daran
versuchte Tim, so selten wie möglich zu denken. Mit den Freunden sprach er
praktisch nie darüber, mit seiner Mutter selten. Doch er gab sein Bestes, der
Mutter keinen Anlass zur Sorge zu geben. Sie hatte ihn ins Internat gehen
lassen, obwohl das bedeutete, dass sie allein zurückblieb. Und sie finanzierte
die teure Schule allein von ihrem eher bescheidenen Buchhalterinnen-Gehalt. Tim
schrieb ihr schnell zurück. Dann kehrte er um und rief weiter nach Oskar.
»Oskar! Oskar, hierher!«
»Oskar, bei Fuß! Sitz, Platz!«,
antwortete ihm eine andere Stimme.
Es war Klößchen. Er hatte sich
im Dickicht die Hose zerrissen und hob Tim ratlos die Arme entgegen.
»Lasst dem Hund doch mal ein
bisschen Privatsphäre. Er will sich vielleicht nur mal austoben. Er hat
schließlich auch Frühlingsgefühle!«
Tim legte fragend den Kopf zur
Seite und grinste. »Was heißt hier auch? Hast du etwa Frühlingsgefühle?«
Klößchen wurde rot. »Ich doch
nicht. Du bist der mit der Freundin!«
Tim rempelte ihn
freundschaftlich an und Klößchen rempelte zurück.
Am Rande des Wäldchens stießen
sie auf Karl. Auch seine Suche war erfolglos gewesen. Gemeinsam machten sie
sich auf den Rückweg zu ihren Badetüchern — vielleicht war Oskar ja inzwischen
wieder bei seinem Frauchen.
»Hauptsache, er ist nicht ins
Moor gelaufen und geht dort im Morast unter«, hoffte Tim.
»Das halte ich für unwahrscheinlich«,
beruhigte ihn Karl. »Das alte Moor ist doch trockengelegt. Da wird Torf
abgebaut. Früher konnte man hier im Moor versinken, aber heute...«
Er schüttelte den Kopf.
Tim blieb skeptisch. Es gab
hier und da, am Rand des alten Moorgebietes, noch genug
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