Das Geheimnis der Moorleiche
die Grube herangetreten. Der Mann hatte hier an mehreren Stellen gegraben.
Spaten, Hacke und sogar ein Metalldetektor lagen herum.
»Tim... sieh dir das mal an!«
Karls Stimme klang seltsam.
Tim kam zurück. Die Freunde
standen an der Grube und starrten unentwegt hinunter. Er trat neben sie. Zuerst
wollte er seinen Augen nicht trauen. Aber es war eindeutig: Zu ihren Füßen, im
jahrtausendealten Moor, ragten Knochenteile aus dem Torf. Die Skelettteile
einer Leiche. Einer Moorleiche...
»Bitte zurückbleiben. Es gibt
hier wirklich rein gar nichts
zu sehen.« Ein Polizist drängte eine Gruppe vorwitziger Schaulustiger hinter
ein Absperrband zurück. Die Menschen aber sahen das ganz anders und drängelten
weiter: Und wie es hier was zu sehen gab!
Die Nachricht vom
Moorleichenfund hatte sich in Windeseile in Seental, der angrenzenden
Wohnsiedlung, verbreitet. Im sonst so einsamen Moor bildete sich eine
Menschentraube aus Polizisten, Schaulustigen, Reportern, Fotografen und sogar
einem Kamerateam, die sich alle um die Grube scharten, in der das mumifizierte
Skelett lag. Die Spezialisten von der Spurensicherung waren gerade dabei, die
sterblichen Überreste professionell freizulegen. Vorsichtig trugen sie das
Erdreich um den Körper herum ab, um das Skelett als Ganzes bergen zu können.
Die Blitzlichter der Fotografen leuchteten unentwegt auf.
»Wir wissen noch nicht, ob es
sich um einen Mordfall handelt, einen Unfall oder...«, antwortete Kommissar
Glockner, Gabys Vater, in das Mikrofon einer Fernsehjournalistin. »Nur eines
können wir mit einiger Bestimmtheit sagen: Der Körper muss schon seit einiger
Zeit hier liegen.«
»Sie denken also auch, es
handelt sich um einen archäologischen Fund? Eine alte Moorleiche aus der
Germanenzeit?«, folgerte die stark geschminkte Frau und nickte aufgeregt in die
Kamera.
»Das habe ich nicht gesagt«,
korrigierte Glockner. »Wir müssen erst die rechtsmedizinische Untersuchung
abwarten. Erst wenn Todesart und Liegedauer der Leiche bekannt sind, wissen
wir, ob wir in einem Mord- oder Vermisstenfall ermitteln, oder die körperlichen
Überreste an die Archäologen weitergeben. Bis dahin kann ich Ihnen leider nicht
mehr sagen.«
Glockner nickte ihr zu und
wandte sich ab. Er gab nicht besonders gern Interviews, schon gar nicht vor der
Kamera. Aber es gehörte zu seinem Job.
Die Moorleiche wurde mit der
sie umgebenden Erde in Folie gewickelt und vorsichtig in einen dunklen Wagen
verladen, der schnell den Ort des Geschehens verließ. Sein Ziel war die
Gerichtsmedizin. Die Menschentraube zerstreute sich etwas, doch immer noch
kamen neue Leute an, die mitbekommen hatten, dass im Moor etwas Besonderes los
war.
Etwas abseits warteten die
Freunde von TKKG und verfolgten überwältigt das Spektakel. Der entspannte
Nachmittag am See hatte sich schlagartig in ein spannendes Abenteuer
verwandelt. Gaby hatte nach dem Fund der Moorleiche sofort ihren Vater
informiert. Umgehend war der mit seiner ganzen Abteilung angerückt —
Schaulustige und Presse im Schlepptau.
Gaby war bei den Worten ihres
Vaters ganz blass geworden. »Ein Mordfall... Habt ihr das gehört?«
»Genauso wahrscheinlich — wenn
nicht wahrscheinlicher — ist, dass wir eine jahrtausendealte Moorleiche
gefunden haben«, beruhigte Karl sie, doch dann wurde er plötzlich selbst ganz
aufgeregt und sprang von einem Bein aufs andere. »Und das wäre... einfach
Wahnsinn!«
Tim wiegelte ab. »Wir wissen
doch gar nicht, was hier passiert ist. Nicht mal Gabys Vater weiß es. Ihr
habt’s ja gehört.«
»Eins jedenfalls steht fest«,
erklärte Klößchen trocken mit einem Blick auf die Uhr. »Die Arbeitsstunde
findet heute ohne uns statt.«
Glockner gab den Polizisten
Anweisungen und wandte sich dann den Freunden zu. Ein junger Kollege begleitete
ihn.
»Wie ihr seht, löst euer Fund
eine ganz schöne Aufregung aus. Geht es euch soweit gut? Ich meine — eine alte
Moorleiche findet man nicht alle Tage.«
Die Freunde sahen sich prüfend
an. Etwas gruselig war es schon. Die Moorleiche war irgendwann ein lebender
Mensch gewesen. Tim dachte daran, dass er zuvor noch nie einen Toten gesehen
hatte — außer seinen Vater. Für die anderen war es das erste Mal. Aber die
Moorleiche sah nicht mehr sehr menschlich aus. Sie war eher ein Skelett, mit
Haut und Haaren. Ihr Leben war schon lange vorbei. Sie hatte bereits eine
geraume Zeit im Moor gelegen, das hatte der Kommissar selbst gesagt.
»Bei uns ist alles gut,
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