Das Geheimnis der toten Vögel
Hinsicht als Bluff heraus, aber als charmanter Bluff.«
Danke bestens! Maria nickte im Stillen. Die Sorte kannte sie.
»Ich habe Finn, meinem Bruder, erzählt, wie Hans Moberg damit rechnete, bald an den Folgen seines Strabismus zu sterben, und wir haben richtig gut darüber gelacht.«
»Finn?« Maria dachte sogleich an den Sicherheitsbeauftragten des Vigoris Health Center. Das erwies sich als richtig.
»Er hat von Anfang an dort gearbeitet, und wahrscheinlich würden sie ohne ihn gar nicht klarkommen. Er ist sehr gründlich und tüchtig. Seine Chefin sagt, er habe das Zeug, in die Hauptniederlassung in Montreal aufzusteigen. Ich glaube, darauf ist er richtig scharf. Aber ich würde ihn vermissen. Wer würde mir meinen Computer warten, wenn er so weit weg ist?«
»Haben Sie Hans Moberg später noch einmal getroffen?« Maria versuchte nicht zu zeigen, wie wichtig es ihr war, eine Antwort auf diese Frage zu bekommen.
»Nein, ich habe eine E-Mail bekommen, dass er mich vermissen würde – die war kaum lesbar, so viele Tippfehler waren darin. Ich nehme an, dass er betrunken war. Vermutlich hat er eine Weile dagesessen und versucht, jemanden anzubaggern, und als niemand anbiss, hat er sich an mich erinnert. Nein, ich habe nicht darauf geantwortet. Ich glaube nicht, dass er mein Typ ist, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Haben Sie ihm geschrieben und ihn gebeten, sich mit Ihnen im Industriehafen von Kappelshamn zu treffen?« Maria stellte die Frage vor allem, um sie deutlich auf dem Band zu haben. Sie selbst war sich sicher, wie die Antwort lauten würde.
»Nein, warum sollte ich? Kappelshamn? Hat Hans etwas mit dem Mord da oben zu tun? Haben Sie mich deshalb gebeten hierherzukommen? Natürlich habe ich mich gewundert, als die Polizei gestern kam und darum bat, ein paar Tage meinen Computer ausleihen zu dürfen.«
»Hat sonst noch jemand Zugang zu Ihrem Computer?«
»Nein.«
»Wie steht es mit dem Passwort zu Ihrer Hotmailadresse? Kennt das noch jemand außer Ihnen?«
36
Maria Wern sortierte ihre Post. Das meiste musste warten. Die Ermittlungen im Mordfall hatten oberste Priorität. In den Artikeln von Florian Westberg, die seine Frau im Laufe des Vormittags gefaxt hatte, war es um Pharmaproduzenten gegangen. Maria hatte die meisten rasch durchgeschaut und sich vor allem für die Reportage interessiert, die Florian Westberg in Bjaroza gemacht hatte. Er war im April in Weißrussland gewesen und beschrieb Land und Leute auf engagierte Weise. Es war offenkundig, dass er die Sprache beherrschte. Er hatte mehrere Arbeiter in der Fabrik interviewt, darunter auch Sergej Bykov. Offensichtlich gab es eine Verbindung, die darauf schließen ließ, dass die drei Morde doch in einem Zusammenhang standen. Maria war mit den Papieren in der Hand zu Hartman geeilt und hatte sie vor ihm auf den Schreibtisch geknallt, sodass das Protokoll, das er gerade las, auf den Fußboden flog.
»Sieh dir das an! Es gibt einen Zusammenhang!«
Mit Hilfe eines Dolmetschers hatte man mit Sergej Bykovs Ehefrau telefoniert. Sie bestätigte, dass Florian Westberg sich mit ihrem Mann getroffen habe, aber sie konnte sich nicht daran erinnern, dass der Journalist etwas Bestimmtes von ihm gewollt hätte. Sie seien zusammen in einer Kneipe gewesen, und als Sergej nach Hause gekommen sei, habe sie ihm ins Bett helfen müssen. Sie hätten einen netten Abend gehabt, und der Wodka sei in Strömen geflossen.
Florian Westberg und Sergej Bykov hätten hauptsächlich über alltägliche Dinge gesprochen, sagte sie. Wie weit der Lohn reiche, verglichen mit schwedischen Verhältnissen, über das soziale Netz und die Zukunftschancen der nächsten Generation. Sergej habe von seiner Arbeit mit den Versuchstieren erzählt, und Florian Westberg habe gefragt, ob es in Bjaroza Tierschutzaktivisten gebe. Aber Sergej habe gar nicht gewusst, was das sei. Mehr wusste sie über den Besuch des Journalisten nicht zu sagen.
Maria hatte Hartman den letzten Teil des Artikels vorgelesen. Es ging darin um die Gewinninteressen des Pharmakonzerns, und der Text war scharf formuliert. Je mehr Medikamente verkauft wurden, desto höher der Gewinn. Florian hatte von der Spekulation mit der Angst gesprochen. Wie die Pharmaindustrie die Politiker instrumentalisierte, um ein Drohbild zu zeichnen, das in einem Mehrverkauf von Medikamenten resultierte. Der Politiker, der den Leuten die meisten Medikamente versprach,
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