Fire after Dark - Tiefes Begehren: Roman (German Edition)
1. Kapitel
Ich starre den Mann mir gegenüber an. Mit geballten Fäusten, den Kiefer vor Anstrengung angespannt, setze ich das Standbein fest auf den Boden und ziehe das andere Bein hoch, bereit, all meine Kraft in den Tritt zu legen. Ich drehe mich leicht auf der Ferse, ziehe das Knie fast bis zur Brust hoch, dann:
ZACK!
Ich trete zu, lege alles, was ich an Power aufbringen kann, in diesen Stoß. Mein Fuß schlägt heftig gegen das Schutzpolster, das mein Trainer hochhält, und ich registriere zufrieden, dass er unter dem Aufprall leicht ins Wanken gerät.
»Gut«, sagt er. »Sehr gut.«
Schwer atmend komme ich wieder auf beiden Beinen zu stehen. »Ich kann noch mal«, keuche ich.
Sid lacht. »Ich denke, für heute reicht es. Ich frage mich schon, ob du dir versehentlich Speed in den Kaffee geschüttet hast. Woher nimmst du nur diese Energie?«
Ich setze den Helm ab und schüttele mein Haar aus, das mir in feuchten, kalten Strähnen auf die Schultern fällt. »Ach, weißt du … ich muss meine Anspannung loswerden.«
Das entspricht der Wahrheit. Aber was für eine Anspannung? Einerseits versuche ich, durch das Training die ungestillte Sehnsucht nach Dominic irgendwie abzubauen. Andererseits stelle ich mir bei jedem Tritt vor, dass ich damit den Mann treffe, dessen Geschäfte Dominic überhaupt erst für so lange Zeit von London fernhalten. Ich habe keine Ahnung, wie der Chef von Dominic aussieht, aber darauf kommt es nicht an. Wenn ich mit meinen imaginären Schlägen fertig bin, würde man sein Gesicht ohnehin nicht wiedererkennen.
»Also schön, gut gemacht, Beth«, sagt Sid und nimmt den Brustpanzer ab. »Wir sehen uns dann nächste Woche.«
»Heute bin ich voll ins Schwitzen geraten.« Laura zieht das feuchte Stirnband von ihren dunklen Haaren, die sie gleich darauf ausschüttelt. Sie kräuselt die Nase, lacht und schaut mich von der Seite an. »Du siehst aber auch aus, als hättest du dich ordentlich ausgepowert.«
»Ich bin völlig erledigt.« Ich kann mich nicht sehen, aber ich weiß, dass meine Wangen glühen, und ich spüre die Schweißtropfen, die mir über Stirn und Augenbrauen laufen. »Aber das hat’s echt gebracht.«
»Mir auch.«
Es war Lauras Idee gewesen, einen Kurs im Kickboxen anzufangen. Ich wusste, dass es ihr – seit sie ihre neue Stelle angetreten hatte – in den Gliedern juckte vor lauter unterdrückter Energie. Nach drei Jahren als Studentin und den Monaten, in denen sie auf ihrer Rucksacktour quer durch Südamerika völlig frei gewesen war, fiel es ihr schwer, sich an die Regeln des Arbeitslebens zu gewöhnen.
»Ich muss immer so furchtbar früh im Büro sein!«, stöhnte sie vor ein paar Wochen und ließ sich in dem ausgeleierten, alten Trainingsanzug auf das Sofa fallen, den sie nach einem langen Arbeitstag immer sofort anzog. Sie seufzte. »Wenn ich meinem Chef beweisen will, dass ich es ernst meine, muss ich den ganzen Tag lang an meinem Schreibtisch sitzen, bis spät in die Nacht. Und nur drei Wochen Urlaub im Jahr! Ich weiß echt nicht, wie ich das durchhalten soll.« Sie warf mir einen neidischen Blick zu. »Du hast so ein Glück mit deinem tollen Job.«
Ich sah sie streng an. »Dafür bekomme ich auch nicht das Gehalt eines Management-Trainees, das ist dir doch klar?«
Sie schaute missmutig. »Tja, ob das all die Mühe wert ist, muss sich erst zeigen.«
Ihre aufgestaute Energie verursachte ihr offenbar echte Probleme, denn als sie entdeckte, dass direkt um die Ecke von unserer Wohnung ein Kurs im Kickboxen angeboten wurde, hatte sie uns beide sofort eingeschrieben, ohne mich auch nur zu fragen, ob ich damit einverstanden war. Aber die Idee gefiel mir. Ich brauchte selbst ein Ventil, wenn auch nicht ganz aus demselben Grund wie Laura. Es überraschte mich, dass ich sofort Gefallen daran fand. Das Gefühl der Macht, das durch meinen Körper strömt, gibt mir einen Rausch, der schon fast süchtig macht. Wenn ich hinterher nach Hause komme, fühle ich mich immer stark und selbstsicher, dank den Endorphinen und der körperlichen Erschöpfung, die sich einstellt, wenn man tatsächlich etwas Anstrengendes getan hat, ganz anders als die Erschöpfung durch Arbeit und Pendeln.
Als wir unsere Wohnung betreten, sinniert Laura: »Ich kann immer noch nicht fassen, dass wir hier sind. Denk dir nur, du und ich, wir teilen uns in London eine Wohnung, mit richtigen Jobs und allem! Dabei habe ich das Gefühl, wir waren erst gestern zwei verlotterte Studentinnen, die jeden
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