Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
Vom Netzwerk:
aussprach, hob er den Kopf und blickte über das Grün Burmas, durch das die Straße wie ein silbernes Schwert drang.
    »Wieso?« forschte sie. »Wieso fühlen Sie sich für dieses Land verantwortlich?«
    »Weil es ein Teil des Empire ist«, gab er ernsthaft zurück.
    »Aber wozu das Empire?« wandte sie ein. »Warum diesen Leuten nicht ihr eigenes Land lassen, daß sie es bewahren und regieren?«
    »Man kann eine Verantwortung nicht einfach abwerfen«, entgegnete er nachdrücklich. »Man muß seine Aufgabe erfüllen.«
    Aus seinem aufrichtigen, besorgten Blick ersah sie, daß er es wirklich gut meinte und daß er das Gewicht der Pflicht auf sich und auf seinem eigenen Volk lasten fühlte.
    Auch sie schaute über das grüne Land. »Es wäre eine bessere Welt für uns alle«, sagte sie schließlich, »wenn Sie und Ihresgleichen nicht so gut wären.«
    Er betrachtete sie von der Seite und stammelte, wie er stets zu stottern begann, wenn er ihr nicht zu folgen vermochte: »W … was meinen Sie damit?«
    »Wir könnten frei sein, wenn ihr es nicht für eure Pflicht hieltet, uns zu erlösen«, erwiderte sie, und ihre Augen waren traurig und lachten gleichzeitig. »Euer Pflichtgefühl erhält euch als Herren und macht uns zu Sklaven. Wir können eurer Güte nicht entrinnen. Eure Anständigkeit läßt uns nicht los. Eines Tages werden wir eurem Gott Trotz bieten, und dann werden wir frei sein.«
    »Das klingt ja wahnsinnig«, gab er verwundert zurück. »Wissen Sie überhaupt, wovon Sie reden?«
    »Nicht ganz«, sagte sie, »nicht ganz, denn ich spreche nicht aus meinem eigenen Kopf, sondern aus meinem Herzen. Aber ich fühle euch hier als ein solches Gewicht.« Sie legte die Hand auf die Brust. »Ja sogar in Ihrer Gegenwart fühle ich ein Gewicht auf mir.«
    »Das bedaure ich«, versetzte er ernst. »Ich bin Ihnen wirklich ungemein zugetan …«
    »Was Sie überrascht, denn nie hätten Sie gedacht, daß Sie jemals einer Chinesin zugetan sein könnten.«
    Er errötete stark. »Das möchte ich keineswegs gesagt haben. Es ist ganz einfach, daß man nicht erwartet, eine Chinesin könne …«
    »Wirklich ein Mensch sein«, vollendete sie.
    Während dieses Gesprächs näherten sie sich einer Stadt, und da er von dem Gesagten stark in Anspruch genommen war und sie ihren eigenen Gedanken nachhing, betraten sie die Stadt allzu achtlos, ohne darauf zu achten, welcher Art die Bewohner waren, ob freundlich gesinnt oder nicht. Ein junger gelbgewandeter Priester erblickte sie als erster, und er lief verstohlen zu seinen Genossen, um ihnen mitzuteilen, daß Engländer mit chinesischen Frauen in die Stadt gekommen seien, und die schlimmsten Gedanken träufelten von seinen Worten, wie Flämmchen von Kohlen in dürres Gras tropfen, bis binnen einer Stunde die ganze Stadt sich gegen sie gewendet hatte. Sie aber ahnten nichts davon, als sie sich an einem am Wege gelegenen Tisch zum Essen und Trinken niederließen. Sie saßen auf Holzbänken auf der Hauptstraße, aßen Reis und mit Curry gewürztes Gemüse und tranken Tee. Im einen Augenblick war alles friedlich; die heiße Sonne schien auf das Tuch, das zum Schattenspenden über ihnen ausgespannt war; und im nächsten Augenblick sahen sie in finstere, wütende Gesichter, die sich um sie scharten.
    »Wie … was zum Teufel?« murmelte der Engländer. Er sprang mit seinem Gewehr auf die Füße, die beiden andern Männer desgleichen, aber Mayli legte ihm die Hand auf den Arm und drückte die Bajonettspitze nach unten.
    »Ihr mit euren Gewehren!« flüsterte sie. »Immer wollt ihr alle Übel mit dem Gewehr heilen! Warten Sie doch, Sie Narr, und lassen sie uns erst einmal sehen, was los ist.«
    Sie suchte in der Menge nach einem chinesisch aussehenden Gesicht, denn in den Städten fanden sich oftmals chinesische Händler, aber hier war keins. Ihr Herz begann heftiger zu klopfen, während sie überlegte, was sie unter diesen ungünstigen Umständen tun könnte. Schließlich sagte sie zu dem Engländer, angesichts des Pöbels absichtlich lächelnd: »Legen Sie Ihr Gewehr hin, auch die andern sollen es hinlegen. Setzen Sie sich alle und essen Sie weiter.«
    Widerwillig gehorchten ihr die Männer. Hierauf streckte sie den Leuten ihre Hände hin und zeigte ihnen, daß sie leer und bloß waren. Sie nahm ein Gewehr auf, schüttelte den Kopf und legte es wieder hin. Sie wies auf die Straße und bedeutete, daß sie sich unterwegs befanden. Sie zog Geld hervor und bezahlte beim Gastwirt das Essen. Dann

Weitere Kostenlose Bücher