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Death de LYX - Denn entkommen wirst du nicht (German Edition)

Death de LYX - Denn entkommen wirst du nicht (German Edition)

Titel: Death de LYX - Denn entkommen wirst du nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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    Richmond, Virginia
    Dienstag, 23. Dezember, 9.00 Uhr
    Nat King Cole schmachtete aus dem billigen CD -Player, während Nicole Piper ihr angebissenes Erdnussbuttersandwich hinlegte und nach einem Engel mit der Aufschrift »Mein erstes Weihnachten« griff. Sie ging zu einem kleinen silbernen Vintage-Weihnachtsbaum auf dem Tisch in ihrer Essecke. Die Aluminiumnadeln des Bäumchens glitzerten im Licht, das durchs Fenster hereinfiel.
    Sie hatte den Weihnachtsbaum im Herbst bei einem Garagenverkauf entdeckt. Der auf dem Schild angegebene Preis von zwanzig Dollar war ihr damals hoch erschienen, aber der Verkäufer hatte Nicole versichert, dass der Baum ein echtes Schnäppchen sei. Trotzdem hatte sie sich wegen des verschwendeten Geldes ein wenig schlecht gefühlt und den Preis auf achtzehn Dollar heruntergehandelt. Zwei Dollar waren für die meisten Leute nur Kleingeld, aber nicht für sie. Ihr neu eröffnetes Fotogeschäft brachte gerade genug ein, dass es für sie und ihre kleine Tochter reichte.
    Der Baum war vielleicht unnötig gewesen, aber jetzt war sie froh, dass sie ihn gekauft hatte. Seine glänzenden Äste waren nicht nur festlich, sein auffälliger, eigenwilliger Stil passte außerdem zu ihrem neuen Leben.
    Nicole hängte den Engel vorn in die Mitte des Baums und nahm sich einen Moment Zeit, um ihn geradezurücken. Er war der einzige Baumschmuck. »Na, wie findest du das, Beth?«
    Ihre elf Monate alte Tochter lag nur ein paar Schritte von der Essecke entfernt auf einer Decke in dem kleinen Wohnzimmer. Beths Füße und Hände umklammerten eine halb volle Flasche mit Babynahrung. Sie lächelte Nicole sabbernd an und beschäftigte sich dann weiter mit ihrer Flasche.
    Das Baby nahm nichts wahr außer seinen eigenen dicken Fingern, die sich rhythmisch um sein Fläschchen schlossen und wieder öffneten. Nicole lächelte. So sollte es sein. Es war ihre Aufgabe, sich Sorgen zu machen, nicht Beths.
    Nicole aß ihr Sandwich auf und trug den Teller in die kleine Küche. In dem Apartment befanden sich ein blaues Secondhand-Ausziehsofa, auf dem Nicole schlief, ein paar Beistelltische, ein Fernseher, der nur Lokalsender empfing, und ein runder Café-Tisch mit einem Stuhl und einem Hochstuhl. Neben dem Sofa stand Beths weißes Gitterbettchen. Im Gegensatz zu allem anderen im Zimmer war es nicht gebraucht oder aus einem Secondhandladen. Es war ein wunderschönes Möbelstück, das aussah wie aus einer Zeitschrift. Das Gitterbett war ein Geschenk von Nicoles Freunden für das einzige Kind, das sie aufgrund von Komplikationen bei der Geburt je haben würde.
    Ohne die großen Fotografien an den Wänden hätte die Wohnung im zweiten Stock ein wenig trist gewirkt. Nicole hatte die Schwarz-Weiß-Porträts im letzten Jahr gemacht. Die unkonventionellen Bilder hatten ungewöhnliche, eigenwillige Perspektiven, die das Äußere und das Wesen der Modelle perfekt einfingen. Nicole verdiente ihren Lebensunterhalt mit Standard-Porträts, doch diese Bilder hatte sie in ihren kostbaren freien Minuten aufgenommen. Sie würden im Januar auch Teil einer kleinen Ausstellung in der 1864 Gallery sein.
    Nicole griff nach einer Tasse mit lauwarmem Tee und nippte daran, während sie die Fotos betrachtete. Sie bedeuteten einen Meilenstein für sie, weil sie ihre Rückkehr in die Welt der Kunst nach fast dreijähriger Abwesenheit symbolisierten.
    Als ihr Mann noch lebte, hatte sie gedacht, sie könnte nie wieder eine Künstlerin sein. Sie hatte ihre ganze Energie darauf verwendet, seine Misshandlungen auszuhalten. Nun lag die Vergangenheit hinter ihr, und sie konnte wieder kreativ sein. Sie hatte ganz vergessen, wie aufregend und großartig es sich anfühlte zuzusehen, wie ihre Fotografien in der Entwicklerschale Gestalt annahmen.
    Allein der Gedanke, dass sie beinahe ihre Kunst verloren hätte. Allein der Gedanke, dass sie beinahe ihr Leben verloren hätte.
    Als könnte sie die Beklemmung ihrer Mutter spüren, nahm Beth ihr Fläschchen aus dem Mund und reckte den Hals, um Nicole zu suchen. Das Baby gluckste, als es seine Mutter sah.
    Nicole lächelte zurück und zwinkerte ihrer Tochter zu. Zufrieden widmete Beth sich wieder ihrer Flasche.
    Beths Vater, Richard Braxton, war ein charmanter, intelligenter und gewalttätiger Mann gewesen. Er hatte Nicole vor fast fünf Jahren in sein Leben gelockt. Sie hatten sich in San Francisco kennengelernt, als er vor dem Regen in ihr Studio geflüchtet war. Schnell hatte er ihr Herz erobert, und ehe sie sich’s

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