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Das Glasperlenspiel

Das Glasperlenspiel

Titel: Das Glasperlenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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gegeben, und daß unter tausend streng durchgeführten Spielen auch nur zwei einander mehr als an der Oberfläche ähnlich seien, liegt beinahe außerhalb des Möglichen. Selbst wenn es geschähe, daß einmal zwei Spieler durch Zufall genau dieselbe kleine Auswahl von Themen zum Inhalt ihres Spieles machen sollten, könnten diese beiden Spiele je nach Denkart, Charakter, Stimmung und Virtuosität der Spieler vollkommen verschieden aussehen und verlaufen.
    Es liegt letzten Endes völlig im Belieben des Histo- rikers, wie weit er die Anfänge und Vorgeschichte des Glasperlenspiels zurückverlegen will. Denn wie jede große Idee hat es eigentlich
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    keinen Anfang, sondern ist, eben der Idee nach, immer dagewesen. Wir finden es als Idee, als Ahnung und Wunschbild schon in manchen früheren Zeitaltern vorgebildet, so zum Beispiel bei Pythagoras, dann in der Spätzeit der antiken Kultur, im hellenistischgnostischen Kreise, nicht minder bei den alten Chinesen, dann wieder auf den Höhepunkten des
    arabischmaurischen Geisteslebens, und weiterhin führt die Spur seiner Vorgeschichte über die Scholastik und den Humanismus zu den Mathematiker-Akademien des siebzehnten und
    achtzehnten Jahrhunderts und bis zu den romantischen Philosophien und den Runen der magischen Träume des
    Novalis. Jeder Bewegung des Geistes gegen das ideale Ziel einer Universitas Litterarum hin, jeder platonischen Akademie, jeder Geselligkeit einer geistigen Elite, jedem
    Annäherungsversuch zwischen den exakten und freieren Wissenschaften, jedem Versöhnungsversuch zwischen
    Wissenschaft und Kunst oder Wissenschaft und Religion lag dieselbe ewige Idee zugrunde, welche für uns im
    Glasperlenspiel Gestalt gewonnen hat. Geister wie Abälard, wie Leibniz, wie Hegel haben den Traum ohne Zweifel gekannt, das geistige Universum in konzentrische Systeme einzufangen und die lebendige Schönheit des Geistigen und der Kunst mit der magischen Formulierkraft der exakten Disziplinen zu
    vereinigen. In jener Zeit, in welcher Musik und Mathematik nahezu gleichzeitig eine Klassik erlebten, waren die Befreundungen und Befruchtungen zwischen beiden Disziplinen häufig. Und zwei Jahrhunderte früher finden wir bei Nikolaus von Kues Sätze aus derselben Atmosphäre, wie etwa diese: »Der Geist formt sich der Potentialität an, um alles in der Weise der Potentialität zu messen, und der absoluten Notwendigkeit, damit er alles in der Weise der Einheit und Einfachheit messe, wie es Gott tut, und der Notwendigkeit der Verknüpfung, um so alles in Hinsicht auf seine Eigentümlichkeit zu messen, endlich formt er sich der determinierten Potentialität an, um alles hinsichtlich
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    seiner Existenz zu messen. Ferner mißt aber der Geist auch symbolisch, durch Vergleich, wie wenn er sich 4er Zahl und der geometrischen Figuren bedient und sich auf sie als Gleichnisse bezieht.« Übrigens scheint nicht etwa nur dieser eine Gedanke des Cusanus beinahe schon auf unser Glasperlenspiel
    hinzuweisen oder entspricht und entspringt einer ähnlichen Richtung der Einbildungskraft wie dessen Gedankenspiele; es ließen sich mehrere, ja viele ähnliche Anklänge bei ihm zeigen.
    Auch seine Freude an der Mathematik und seine Fähigkeit und Freude, Figuren und Axiome der euklidischen Geometrie auf theologischphilosophische Begriffe als verdeutlichende Gleichnisse anzuwenden, scheinen der Mentalität des Spieles sehr nahe zu stehen, und zuweilen erinnert sogar seine Art von Latein (dessen Vokabeln nicht selten seine freien Erfindungen sind, ohne doch von irgendeinem Lateinkundigen mißverstanden werden zu können) an die freispielende Plastizität der Spielsprache.
    Nicht minder gehört, wie schon das Motto unsrer Abhandlung zeigen mag, Albertus Secundus zu den Vorvätern des
    Glasperlenspieles. Und wir vermuten, ohne es zwar durch Zitate belegen zu können, daß der Spielgedanke auch jene gelehrten Musiker des sechzehnten, siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts beherrschte, welche ihren musikalischen Kompositionen mathematische Spekulationen zugrunde legten.
    Da und dort in den alten Literaturen stößt man auf Legenden über weise und magische Spiele, die von Gelehrten, Mönchen oder an geistfreundlichen Fürstenhöfen ersonnen und gespielt worden seien, zum Beispiel in Form von Schachspielen, deren Figuren und Felder außer der gewöhnlichen noch ihre
    Geheimbedeutungen hatten. Und allgemein bekannt sind ja jene Berichte, Märchen und Sagen aus den Jugendzeiten aller Kulturen, welche der

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