Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
sorgfältig und trag es lieber beständig bei dir, denn ginge es verloren, so würde ein großes Unglück daraus entstehen.“ Sie nahm die Schlüssel und das Ei, und versprach, alles wohl auszurichten. Als er fort war, ging sie in dem Haus herum von unten bis oben und besah alles, die Stuben glänzten von Silber und Gold, und sie meinte, sie hätte nie so große Pracht gesehen. Endlich kam sie auch zu der verbotenen Tür, sie wollte vorüber gehen, aber die Neugierde ließ ihr keine Ruhe. Sie besah den Schlüssel, er sah aus wie ein anderer, sie steckte ihn ein und drehte ein wenig, da sprang die Türe auf. Aber was erblickte sie als sie hineintrat? Ein großes blutiges Becken stand in der Mitte, und darin lagen tote zerhauene Menschen, daneben stand ein Holzblock und ein blinkendes Beil lag darauf. Sie erschrack so sehr, dass das Ei, das sie in der Hand hielt, hineinplumpte. Sie holte es wieder heraus und wischte das Blut ab, aber vergeblich, es kam den Augenblick wieder zum Vorschein; sie wischte und schabte, aber sie konnte es nicht herunter kriegen.
Nicht lange, so kam der Mann von der Reise zurück, und das Erste, was er forderte, war der Schlüssel und das Ei. Sie reichte es ihm hin, aber sie zitterte dabei, und er sah gleich an den roten Flecken dass sie in der Blutkammer gewesen war. „Bist du gegen meinen Willen in die Kammer gegangen“, sprach er, „so sollst du gegen deinen Willen wieder hinein. Dein Leben ist zu Ende.“ Er warf sie nieder, schleifte sie an den Haaren hin, schlug ihr das Haupt auf dem Blocke ab und zerhackte sie, dass ihr Blut auf dem Boden dahin floss. Dann warf er sie zu den übrigen ins Becken.
„Jetzt will ich mir die zweite holen“, sprach der Hexenmeister, ging wieder in Gestalt eines armen Mannes vor das Haus und bettelte. Da brachte ihm die zweite ein Stück Brot, er fing sie wie die erste durch bloßes Anrühren und trug sie fort. Es erging ihr nicht besser als ihrer Schwester, sie ließ sich von ihrer Neugierde verleiten, öffnete die Blutkammer und schaute hinein, und musste es bei seiner Rückkehr mit dem Leben büßen. Er ging nun und holte die dritte, die aber war klug und listig. Als er ihr die Schlüssel und das Ei gegeben hatte und fortgereist war, verwahrte sie das Ei erst sorgfältig, dann besah sie das Haus und ging zuletzt in die verbotene Kammer. Ach, was erblickte sie! Ihre beiden lieben Schwestern lagen da in dem Becken jämmerlich ermordet und zerhackt. Aber sie hub an und suchte die Glieder zusammen und legte sie zurecht, Kopf, Leib, Arm und Beine. Und als nichts mehr fehlte, da fingen die Glieder an sich zu regen und schlossen sich an einander, und beide Mädchen öffneten die Augen und waren wieder lebendig. Da freuten sie sich, küssten und herzten einander.
Der Mann forderte bei seiner Ankunft gleich Schlüssel und Ei, und als er keine Spur von Blut daran entdecken konnte, sprach er „du hast die Probe bestanden, du sollst meine Braut sein.“ Er hatte jetzt keine Macht mehr über sie und musste tun, was sie verlangte. „Wohlan“, antwortete sie, „du sollst vorher einen Korb voll Gold meinem Vater und meiner Mutter bringen und es selbst auf deinem Rücken hintragen; derweil will ich die Hochzeit bestellen.“ Dann lief sie zu ihren Schwestern, die sie in einem Kämmerlein versteckt hatte und sagte „der Augenblick ist da, wo ich euch retten kann: der Bösewicht soll euch selbst wieder heimtragen; aber sobald ihr zu Hause seid, sendet mir Hilfe.“ Sie setzte beide in einen Korb und deckte sie mit Gold ganz zu, dass nichts von ihnen zu sehen war, dann rief sie den Hexenmeister herein und sprach „nun trag den Korb fort, aber dass du mir unterwegs nicht stehen bleibst und ruhest, ich schaue durch mein Fensterlein und habe acht.“
Der Hexenmeister hob den Korb auf seinen Rücken und ging damit fort, er drückte ihn aber so schwer, dass ihm der Schweiß über das Angesicht lief. Da setzte er sich nieder und wollte ein wenig ruhen, aber gleich rief eine im Korbe „ich schaue durch mein Fensterlein und sehe dass du ruhst, willst du gleich weiter.“ Er meinte die Braut rief ihm das zu und machte sich wieder auf. Nochmals wollte er sich setzen, aber es rief gleich „ich schaue durch mein Fensterlein und sehe dass du ruhst, willst du gleich weiter.“ Und so oft er stillstand, rief es, und da musste er fort, bis er endlich stöhnend und außer Atem den Korb mit dem Gold und den beiden Mädchen in ihrer Eltern Haus brachte.
Daheim aber ordnete
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