Das Halsband der Königin - 1 (German Edition)
Madame, das ist unmöglich, und Ihr großes Herz, Ihr Königliches Herz besonders, wird dich begreifen. Der Commandant des Sévère ist ein braver Officier, der an diesem Tag den Kopf verloren hatte. Ach! Madame, Sie können es die Muthigsten sagen hören, man ist nicht alle Tage tapfer; er brauchte zehn Minuten, um sich zu erholen; unser Entschlußuns nicht zu ergeben, hat ihm die Frist verliehen und der Muth ist bei ihm wiedergekehrt; von diesem Augenblick an war er der Tapferste von uns Allen; darum beschwöre ich Eure Majestät, das Verdienst meiner Handlung nicht zu übertreiben, das wäre eine Gelegenheit, den armen Officier niederzuschmettern, der tagtäglich seine Vergeßlichkeit einer Minute beweint.«
»Gut, gut,« sagte die Königin, gerührt und strahlend vor Freude, da sie das günstige Gemurmel hörte, das die edelmüthigen Worte des jungen Officiers um sie her hervorgerufen hatten, »gut, Herr von Charny, Sie sind ein redlicher Mann, als einen solchen kannte ich Sie.«
Bei diesen Worten erhob der Officier das Haupt; eine ächt jugendliche Röthe bepurpurte sein Antlitz; seine Augen gingen mit einer Art Angst von der Königin zu Andree über. Er fürchtete den Anblick dieser so edelmüthigen und in ihrem Edelmuth so schüchternen Natur.
Herr von Charny war in der That noch nicht beim Ende.
»Denn,« fuhr die unerschrockene Königin fort, »denn mögen Sie allesammt erfahren, daß Herr von Charny, dieser junge Officier, der sich gestern erst ausgeschifft, dieser Unbekannte uns sehr bekannt war, ehe er uns heute Abend vorgestellt wurde, und daß er allen Frauen bekannt zu sein und von allen bewundert zu werden verdient.«
Man sah, daß die Königin sprechen, daß sie eine Geschichte erzählen wollte, aus der Jeder einen kleinen Scandal, ein kleines Geheimniß auflesen konnte. Man bildete einen Kreis, man horchte, man drängte sich zusammen.
»Meine Damen,« sprach die Königin, »stellen Sie sich vor, daß Herr von Charny ebenso nachsichtig gegen die Damen ist, als unbarmherzig gegen die Engländer. Man hat mir von ihm eine Geschichte erzählt, die ihm, ich erkläre es Ihnen zum Voraus, in meinen Augen die größte Ehre macht.«
»Oh! Madame,« stammelte der junge Officier.
Man erräth, daß die Worte der Königin und die Gegenwartdes Mannes, an welchen sie gerichtet waren, die Neugierde nur verdoppelten.
Ein Schauer durchlief das ganze Auditorium.
Die Stirne mit Schweiß bedeckt, hätte Charny ein Jahr seines Lebens dafür gegeben, wäre er noch in Indien gewesen.
»Man höre, wie sich die Sache verhält,« fuhr die Königin fort. «Zwei Damen von meiner Bekanntschaft hatten sich verspätet und waren in ein Gedränge gerathen. Sie liefen eine große Gefahr, Herr von Charny kam in diesem Augenblick zufällig oder vielmehr glücklicher Weise vorüber. Er trieb die Menge auf die Seite, nahm die zwei Damen, ohne sie zu kennen, und obgleich es schwer war, ihren Rang zu unterscheiden, unter seinen Schutz und begleitete sie sehr weit, ich glaube zwei Meilen von Paris.«
»Ach! Eure Majestät übertreibt,« versetzte Herr von Charny lachend und beruhigt durch die Wendung, die die Erzählung genommen.
»Nun, so sagen wir fünf Meilen und sprechen wir nicht mehr davon,« unterbrach der Graf von Artois, der sich plötzlich in das Gespräch mischte.
»Gut, mein Bruder,« fuhr die Königin fort; »das Schönste dabei aber war, daß Herr von Charny nicht einmal den Namen der zwei Damen zu erfahren suchte, denen er diesen Dienst geleistet hatte, daß er sie an der Stelle, die sie ihm bezeichneten, absetzte, daß er sich entfernte, ohne nur den Kopf umzuwenden, so daß sie seinen schützenden Händen entkamen, ohne auch nur einen Augenblick beunruhigt worden zu sein.«
Man schrie, man bewunderte. Charny wurde von zwanzig Damen zugleich mit Complimenten überschüttet.
»Nicht wahr, das ist schön?« endigte die Königin; »ein Ritter von der Tafelrunde hätte es nicht besser gemacht.«
»Das ist herrlich!« rief der Chor.
»Herr von Charny,« sprach die Königin, »der König ist ohne Zweifel damit beschäftigt, Herrn von Suffren, IhrenOheim, zu belohnen; ich, meinerseits, möchte gern etwas für den Neffen dieses großen Mannes thun.«
Sie reichte ihm die Hand.
Und während Charny bleich vor Freude seine Lippen darauf drückte, begrub sich Philipp, bleich vor Schmerz, in die weiten Vorhänge des Salons.
Andree war ebenfalls erbleicht, und dennoch konnte sie nicht errathen, was Alles ihr Bruder
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