Socken mit Honig
Vorwor t
Die meisten meiner Geschichten haben Sie selber schon
erlebt. Oder Sie hätten sie erleben können. Genau so oder zumindest so ähnlich.
Ich habe sie auch erlebt. Nicht genau so, nur so ähnlich. Manchmal waren
Übertreibungen beim Erzählen unvermeidlich. Ab und zu musste ich etwas
weglassen. Öfter passte ein erfundenes Detail so prima, dass ich es einbauen
musste. Hin und wieder erzähle ich die Geschichte eines Freundes, als ob ich
sie selber erlebt hätte. Aber das macht nichts, denn ich will nicht zwingend
die Wahrheit erzählen.
Wahr ist, dass ich verheiratet bin und dass wir zwei Kinder
haben. Wahr ist, dass mich meine Familie beim Schreiben unterstützt, ja, ab und
zu fordert sie förmlich über das eine oder andere Vorkommnis eine neue Geschichte.
Wahr ist, dass wir eine glückliche Familie sind, das lesen Sie überall zwischen
den Zeilen.
Um weiterhin der Wahrheit die Ehre zu geben: Meine
Schulnoten in Deutsch waren nur durchschnittlich, meine Rechtschreibung halte
ich für eher schwach – besonders nach diversen Rechtschreibreformen, die die
Regeln, die ich mir mühsam über die Jahre hinweg hatte merken können, über den
Haufen warfen. Meine Handschrift war eine Katastrophe – nahezu unleserlich für
jeden Lehrer. Das Schreiben am Computer mit zehn Fingern beherrsche ich nicht.
Ich habe keine Kurse oder Seminare für angehende Schriftsteller besucht. Zwar
habe ich studiert, nicht jedoch Germanistik. Kurzum, ich bringe keinerlei
Qualifikation zum Schreiben mit – außer einer: Ich habe Spaß beim Schreiben und
wünsche mir, dass Sie Spaß beim Lesen haben.
Meine erste Geschichte, das Papierschiffchen, entstand vor
neun Jahren. Der Kern dieser Geschichte ist wahr, wurde von mir aber
ausgeschmückt und fantasievoll angereichert. Ich gab sie am Folgetag der in der
Geschichte beschriebenen Ereignisse meinem Sohn mit in die Schule als ‚Geschenk‘
für die Lehrerin, der ich vor Augen führen wollte, wie schwer die Hausaufgaben
der Kinder für die Mütter sind. Diese Lehrerin war derartig angetan von meiner
Geschichte, dass sie mich mit ihrer Begeisterung motivierte, weitere zu
schreiben. Verwandte, Freunde und Bekannte haben mich ermutigt, meine
Geschichten in einem Buch, das ich im April 2013 unter dem Titel ‚Im
Papierschiff bis nach Irland‘ veröffentlichte, einem breiteren Publikum
zugänglich zu machen. Ganz im Stil des ersten Buches ist nun ‚Socken mit Honig‘
fertig geworden.
Ich freue mich, dass ich im Zeitalter von E-Books ganz
unkompliziert auch diese Geschichten mit vielen Menschen teilen kann.
Danke an alle, die mir auf die eine oder andere Art geholfen
haben.
Gabriele Kowitz
Kevelaer, Januar 2014
Socken
Als ich klein war wohnte meine Großmutter im fünften Stock.
Natürlich zur Miete. Natürlich gab es keinen Aufzug.
Das war so, man klagte nicht, man nahm das hin.
Meine Eltern und ich wohnten im sechsten Stock und es gab
einen Aufzug. Riesiger Luxus! Der Aufzug hielt im Keller, im Erdgeschoss, im
dritten und im siebten Stock. Warum es nicht in jeder Etage eine Haltestelle
gab, ist mir unverständlich, inzwischen suche ich aber nicht mehr nach einer
Erklärung, denn wir sind längst umgezogen. Doch zurück zu meiner Großmutter: In
ihrer Wohnung gab es neben Wohn- und Schlafzimmer eine große Küche und ein
Badezimmer mit Badewanne, warmes Wasser und Heizung. Das warme Wasser erhielt
man in der Küche durch einen 5 Liter Wasserkocher, der über dem Spülstein
angebracht war. Ich erinnere mich, dass wir in unserer Küche auch so ein Gerät
hatten. Im Badezimmer hing ein Durchlauferhitzer an der Wand, der fließend
warmes Wasser lieferte. Heute will keiner mehr solche Stromfresser haben, aber
früher waren sie Gang und Gäbe, es gab keine Alternative, um warmes Wasser zu
genießen – außer man setzte den großen Kessel auf den Herd. Und den Badezuber
möglichst in die Küche, denn sonst musste das Badewasser viel zu weit geschleppt
werden. Eine Waschmaschine hatte meine Oma nicht. Dafür gab es in dem Haus eine
Waschküche. Alle Mieter konnten die Waschmaschine nutzen. Selbstverständlich nicht
nach Lust und Laune sondern nach einem festen Zeitplan. Einmal in zwei Wochen
hatte man Waschtag. Große Wäsche. Für Zwischendurch-Wäsche setzte man den
bereits erwähnten großen Kessel auf den Herd. Vorzugsweise kamen in die
Kesselwäsche nur kleine Wäschestücke wie Unterwäsche, Taschentücher – Tempos
waren zu teuer und darüber hinaus benutzte eine Dame
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