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- Das Haus der kalten Herzen

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Titel: - Das Haus der kalten Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Singleton
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ersinnen konnte. Ich werde dich zufriedenstellen, Trajan. Gib mir zwei Monate Zeit. Wenn mein Plan bis dahin keine Früchte trägt, werde ich dir gehorchen. Ich werde nach Rom zurückkehren und Marietta bei ihrer Familie lassen.«
    Trajan schien nicht zufrieden zu sein. Seine Hände zitterten. Er ballte die Fäuste und löste sie wieder. Er wirkte seltsam hilflos.
    »Claudius«, sagte er nun sanfter, denn er wollte ihn überzeugen. »Glaubst du denn, ich verstehe nicht, wie es ist, jemanden zu lieben? Als ich mich in Thekla verliebt habe, wusste ich, dass sie der leuchtende Stern meines Lebens sein würde, dass ohne sie nichts eine Bedeutung haben würde.« Er streckte seinen Arm aus, um seinem Bruder tröstend auf die Schulter zu klopfen, aber Claudius rückte von ihm ab.
    »Wenn du es verstehst, warum willst du mir dann nicht helfen?«, sagte er.
    »Weil ich an Marietta denke! Welcher Plan soll denn derartige Schwierigkeiten überwinden? Da ist nichts zu machen!«, sagte Trajan. Gleichermaßen wütend wie ängstlich schaute er Claudius an. Mercy spürte seine Frustration und seine Unfähigkeit, den jüngeren Mann zum Gehorsam zu zwingen. War er trotz seiner außergewöhnlichen Zauberkräfte der Schwächere von beiden?
    »Da ist nichts zu machen«, wiederholte er, und seine Stimme versagte. »Denk darüber nach. Denk an sie. «
    Dann verließ er den Raum. Er knallte die Tür hinter sich zu. Mercy, die an der Wand stand, zitterte.
    Claudius seufzte. Er streckte sich, stand auf, ging unruhig ein paar Schritte durch den Raum und versuchte, den Streit abzuschütteln. Ein Durcheinander von Büchern häufte sich auf den Regalen. Stapel von Notizen lagen kreuz und quer auf dem Tisch. Messbecher, Reagenzgläser und Retorten, mit seltsamen Rückständen und Ausflockungen farbiger Kristalle, standen auf einem Arbeitstisch weiter hinten im Raum. Und dann die Tiere. Einige waren in Glasvitrinen ausgestellt, andere auf hölzernen Ständern. Ein Fuchs, ein Dachs, ein kleines Reh. Eine braune Eule, ein Fasan. Eine Forelle, lang wie ein Schwert. Mit traurigen Glasaugen glotzten sie Mercy an. Es war, als ob die toten Wesen sie sehen konnten, während die Lebenden dies nicht vermochten. Sie streckte die Hand aus, um den Pelz des Fuchses zu berühren, der so flammend rot war wie die Blätter draußen. Sie streichelte seinen glatten, harten Rücken. Auf der anderen Seite des Raumes starrte Claudius gedankenverloren zum Fenster hinaus. Plötzlich drehte er sich um und blätterte die Papiere auf seinem Schreibtisch durch. Er begann, sich Notizen zu machen.
    Durch Mercys Liebkosung hatte sich eine Staubwolke gelöst, die Staubpartikel schwebten über dem Fuchs. Mercys Nase kribbelte. Sie hielt den Atem an, doch das Kribbeln wurde stärker. Sie musste niesen.
    Das plötzliche Geräusch zerriss die Stille im Raum. Mercy schlug die Hände vors Gesicht und schaute Claudius voller Schreck an. Er saß noch immer schreibend an seinem Tisch. Doch nichts deutete darauf hin, dass er sie gehört hatte. Die Augenblicke verstrichen. Langsam entspannte sie sich wieder und trat bis an seinen Schreibtisch vor. Sie sah sich die Papiere an. Er schrieb einen Brief an Marietta. Chemische Formeln, Reihen griechischer Buchstaben und Zeichnungen von Knochen und Gelenken bedeckten andere Seiten, die über den Tisch verstreut lagen. Claudius schrieb weiter.
    »Kannst du mich jetzt sehen, Claudius?«, flüsterte Mercy.
    Claudius hob den Kopf und nickte. »Ja«, sagte er. »Du bist aus der Zukunft gekommen, um mich zu befreien.« Dann widmete er sich wieder dem Schreiben und schenkte ihr keine Beachtung mehr. Vielleicht kostete es ihn einige Anstrengung, sie zu bemerken. Er war in den Ablauf der Geschichte eingesponnen. Er hatte ihr erzählt, dass es all seiner Kraft bedurfte, von einem Tag zum anderen zu gelangen und sie aufzusuchen. Mercy wandte sich ab, ging durch den Raum und öffnete die Tür.
    Sie wanderte im Haus herum. Alles war still. Sie traf die Schwestern in der Küche an, wo sie Haferbrei mit Honig aßen, danach folgte sie ihnen in den Garten, bis hinunter zum großen Arboretum, wo sie im Wind herumliefen.
    Sie erinnerte sich, wie ihr Vater die Bäume gepflanzt hatte. Die Szene stieg wieder vor ihr auf. Das emsige Sammeln fremder Arten, die Männer, die junge Bäume in den kalten englischen Boden einpflanzten. Trajan, der nervös Anweisungen blaffte. Begeistert wie ein kleiner Junge hatte er sie die Namen der Bäume gelehrt. Libanesische Zedern,

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