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Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verkauft und den Erlös nach Sardinien überweist. Das Land Bayern, mein Arbeitgeber? Da gäbe es unüberwindliche Zuständigkeitsfragen.
    »Ich habe keinen, der für mich bezahlt«, sagte Dr. Volkmar.
    »Deine Familie!«
    »Ich habe keine mehr. Ihr rottet euch mit der Vendetta aus, bei uns hat das der Krieg besorgt. Mein Vater war der einzige Überlebende. Er wurde neunundachtzig Jahre alt. Er starb vor drei Jahren.«
    »Das Hospital!« schrie Luigi. Er sah langsam ein, daß er nur einen Mitesser gefangen hatte, aber keinen, der ihm den Tisch über Jahre hinaus deckte. Eine solche Erkenntnis kann deprimieren.
    »Versuch es! Es wäre ein Wunder, ich sagte es schon.« Volkmar zerbröselte das Brot in seinen Fingern. Er spürte, daß sich bei den Brüdern die Stimmung gewandelt hatte. Es ist wie die Krisis nach einer Operation, dachte er. Der Körper wehrt sich – und die beiden wehren sich gegen die Erkenntnis ihrer Niederlage. So etwas kann zu Katastrophen führen, vor allem, wenn man so unmittelbar am Abgrund sitzt wie ich.
    »Ich will euch aufzählen, was ich besitze«, sagte Dr. Volkmar. »Eine Dreizimmerwohnung in Harlaching, gemietet, kein Eigentum. Das Auto, das ihr kennt, die Zeltausrüstung, sechs Anzüge, einen schwarzen, einen weißen Smoking – ich gehe gern, wenn es die Zeit zuläßt, ins Opernhaus – ein Bankkonto mit, glaube ich, rund siebentausend Mark, eine Lebensversicherung auf Rentenbasis, wo ich ab 65 Jahre eintausendzweihundert D-Mark Monatsrente bekomme, die übliche Wohnungseinrichtung. Schluß. Wo wollt ihr da eine Million D-Mark herauskitzeln?«
    »Du hast keine reiche Freundin?« fragte Anna leichthin. Aber aus den Augenwinkeln beobachtete sie ihn genau.
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Warum hast du keinen reichen Freund? Bei dir wäre es kein Problem.«
    »Und bei dir?«
    »Ich bin mit meinem Krankenhaus verheiratet. Das klingt abgedroschen, ich weiß, aber es ist nun mal so. Es muß auch Typen wie mich geben.«
    »Wir werden es versuchen!« schrie Luigi und sprang auf. »Wer sagt mir, daß du nicht bluffst? Wir werden abwarten, was die Zeitungen schreiben, wenn dein Verschwinden bekannt wird. Dann wissen wir genau, wer du bist! Und was du wert bist!«
    »Darauf bin ich selbst gespannt«, sagte Dr. Volkmar ehrlich. »Es kann sein, daß wir dann alle hier am Tisch sitzen und uns anweinen, weil keiner von uns das wert ist, was er erhofft hat. Wißt ihr, wie es sein wird? Folgende Meldung wird in allen Zeitungen stehen: ›Auf Sardinien ist der deutsche Arzt Dr. Heinz Volkmar spurlos verschwunden. Sein Zelt am Strand von Capo San Marco war leer. Man nimmt einen Badeunfall an. Dr. Volkmar hinterläßt keine Familie.‹ Aus! Und schon am nächsten Tag wird keiner mehr wissen, wer dieser Dr. Volkmar gewesen ist. Journalistisch ein Vierzeilen-Mensch! Und so etwas habt ihr geklaut!«
    Er lachte laut, trat an den Rand des Adlernestes und blickte über das weite Land. Nun können sie mich hinunterstoßen, dachte er. Ich bin ihnen jetzt lästiger als eine Fliege.
    Er spannte seine Muskeln an. Jemand berührte ihn von hinten. Es war Anna, die ihm die Arme über die Schulter legte und ihren Kopf gegen seinen Rücken drückte.
    »Das ist schön«, sagte sie, »daß du fast so arm bist wie wir …«
    »Sieh dir die dämliche Kuh an!« schrie Luigi in heller Wut seinem Bruder Ernesto zu. »Oh, wenn er sie bloß anfaßte! Dann könnte ich ihn mit einem Gebet auf den Lippen erschießen!«
    Es dauerte vier Tage, bis man am Capo San Marco merkte, daß das schöne blaue Hauszelt mit dem gelben Vordach leer war. Und auch das entdeckte man nur durch Zufall: Eine Streife der Carabinieri sah das Zelt am Strand und stieg hinunter, um sich den einsamen Gast einmal anzusehen. Immerhin kommt es im Zeitalter des Massentourismus nicht gar so häufig vor, daß einer Robinson auf Zeit spielt. So einen muß man begrüßen und ein paar freundliche Worte mit ihm reden.
    Zunächst ahnten die beiden noch nicht, daß sie einen ganz dicken Fall entdeckt hatten. Erst als nach einer Stunde der Besitzer des Zeltes noch nicht aufgetaucht war, betrat einer der Polizisten das innere Zelt, sah das zerwühlte Lager, den Trainingsanzug, die auf dem Gummiboden liegende Stablampe und die offene Kleiderkiste, aus der man anscheinend in großer Eile etwas zum Anziehen herausgesucht hatte.
    Die Möglichkeit, der Fremde könne in Cabras zum Einkaufen sein, schied aus, als man im Pinienhain das abgestellte Auto mit der deutschen Nummer fand.

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