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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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Cappy zu Hause liefen wir direkt in die Küche. Wir wuschen uns die Hände, spritzten uns Wasser ins Gesicht und tranken ein Glas nach dem anderen.
    Ich hätte mir vorher überlegen müssen, wo es hinsoll, sagte ich. Keine Ahnung, warum ich nicht dran gedacht habe.
    Ich weiß auch nicht, warum ich nicht dran gedacht habe, sagte Cappy.
    Er ging zu dem mit Krimskrams überhäuften Beistelltisch und wühlte dort herum, bis er ein Schlüsselbund gefunden hatte. Doe war mit dem Auto zur Arbeit gefahren, und Randall war mit dem Pick-up unterwegs, aber Randall besaß auch nochdieses klapprige rote Oldsmobile, an dem Cappy herumschrauben durfte. Es hatte eine schwarze Fahrertür und einen Sprung in der Windschutzscheibe. Wir gingen raus, legten das Gewehr in den Kofferraum und setzten uns vorne rein.
    Die Zündung ist im Arsch, sagte Cappy.
    Bei seinem ersten Versuch keuchte der Motor. Cappy gab Gas. Der Motor soff ab.
    Man muss es überlisten, sagte Cappy. Während ich hier das Auto in den Griff kriege, überlegst du, wo’s hingeht.
    Ich weiß schon, wo’s hingeht.
    Er versuchte es wieder. Fast hätte es geklappt.
    Und wohin?
    Zu Linda nach Hause. Zum alten Wishkob-Anwesen.
    Wir lehnten uns in die Sitze zurück und blickten durch die zwei Hälften der Windschutzscheibe auf den Schuppen.
    Irgendwie macht das Sinn, sagte Cappy. Plötzlich schnellte er nach vorn, drehte ruckartig den Schlüssel und stieg mehrmals aufs Gas.
    Energie!, rief er. Der Motor röhrte.
    Der Regen prasselte mit voller Wucht auf uns herab. Cappy machte sein Fenster auf und streckte den Kopf raus, um zu sehen, wo er hinfuhr. Der Scheibenwischer auf der Beifahrerseite funktionierte, aber der auf der Fahrerseite nicht. Er fuhr ganz langsam und gemächlich wie ein alter Mann. Das Grundstück der Wishkobs lag am anderen Ende des Reservats zwischen dünenähnlichen braunen Grashügeln, die größtenteils Weideland waren. Es war ein nettes altes Anwesen mit Fliederbüschen und Korkenziehereichen und zerzausten Sträuchern, die den starken Winden trotzten. Auf dem Weg dorthin waren uns gerade mal zwei Autos entgegengekommen, und niemand sah, wie wir in Lindas Zufahrt einbogen. Es war einsam da draußen. Cappy ließ den Motor laufen, weil er nicht sicher war, ob er ihn je wieder ankriegen würde. Wir stiegen aus und liefen einmal ums Haus, umuns ein Versteck auszusuchen. Lindas alter Hund ließ von drinnen ein asthmatisches Bellen hören. Schließlich rissen wir eins der Gitter ab, die unten an die Vorderkante von Lindas Veranda genagelt waren. Ich krabbelte unter die Veranda und schob das Gewehr, so weit ich konnte, nach hinten. Wir benutzten ein Montiereisen, um das Gitter wieder festzuklopfen, und dann fiel uns auf, dass auf der anderen Seite alle Gitter ab waren, wo der Hund sich gern verkroch. Wir stiegen wieder ins Auto und fuhren zurück. Unterwegs schwiegen wir. Cappy hielt an der Straße zu meinem Haus. Auf der höher gelegenen Ausfallstraße sahen wir einen Wagen von der Stammespolizei nach Osten fahren, Richtung Golfplatz. Mit Blaulicht, ohne Sirene.
    Also ist er tot, sagte Cappy.
    Sonst würden sie rasen.
    Die hätten die Sirene an.
    Wir saßen bei laufendem Motor im Wagen. Der Regen hatte nachgelassen.
    Du hast mir den Arsch gerettet, Bruder.
    Ach was. Du hättest diesen …
    Cappy unterbrach sich. Wir redeten hier nicht schlecht über die Toten, und er beherrschte sich gerade noch.
    Aber er wäre sowieso gestorben, sagte ich. Du hast ihn nicht umgebracht. Es ist nicht deine Schuld.
    Klar. Okay.
    Wir redeten ganz unbewegt, als ginge es um jemand anderen. Oder als wäre das, was wir getan hatten, nur im Film passiert. Aber mir schnürte sich der Hals zu. Cappy fuhr sich mit dem Handballen über das Gesicht.
    Ab heute dürfen wir nie wieder darüber reden, sagte er.
    Positiv.
    Hat dein Dad nicht gesagt, dass das der Grund ist, warum so viele erwischt werden? Weil sie vor ihren Freunden angeben?
    Zum Beispiel, wenn sie besoffen sind.
    Wir sollten uns besaufen, sagte Cappy.
    Womit denn?
    Das Auto begann zu stottern, und Cappy drückte sanft aufs Gas.
    Keine Ahnung. Randall trinkt nicht.
    Ich könnte mal wieder mit Whitey reden, sagte ich.
    Ja? Cappy sah mich von der Seite an.
    Ich nickte und wandte mich ab.
    Wenn du das Auto weggebracht hast …
    Ja?
    Dann kommst du zur Tanke. Ich geh hin und rede mit ihm.
    Ich stieg aus. Ich trat einen Schritt zurück, dann beugte ich mich vor und klopfte mit der flachen Hand auf die Scheibe. Cappy fuhr los, und

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