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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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aussprechen konnte. Jetzt kann ich es. Und ich werde fertig mit ihm.
    Cappy blieb stehen. Okay, du hast es jetzt gesagt. Aber das ist ja nicht alles. Wenn du mal fünf, ach was, drei Dosen hintereinander treffen würdest, einmal nur, hättest du vielleicht ’ne Chance. Aber, Joe.
    Ich werde dicht an ihm dran sein.
    Dann sieht er dich. Und, was schlimmer ist, dann siehst du ihn auch. Du hast nur einen Versuch, Joe. Ich komm nur mit, damit du den Kopf frei kriegst und die Hände ruhig hältst. Ich werd nicht in die Sache verwickelt sein.
    Okay, sagte ich zu ihm. Niemals, dachte ich. Ich beschloss, Cappy nicht zu erzählen, wann ich zu unserem Ausguck gehen würde. Ich würde einfach hingehen und es tun.
    * * *
    Für den Beginn der nächsten Woche war sonniges, warmes Wetter vorausgesagt. Linda hatte erzählt, dass ihr Bruder frühmorgens spielte, bevor alle anderen kamen. Also stand ich gleich nach Sonnenaufgang auf und schlich die Treppe runter. Meinen Eltern erzählte ich, dass ich mich auf die Crosslauf-Saison vorbereitete, und ich lief auch wirklich. Ich lief durch die Wälder, wo mich niemand sehen würde. Ich wurde immer besser darin, Häuser zu umgehen und Hecken als Sichtschutz zu benutzen. Ich nahm in einem sauberen Gurkenglas Wasser mit und steckteeinen Schokoriegel ein. Ich kontrollierte, ob der Stein, den Cappy mir geschenkt hatte, in meiner Hosentasche war. Zu der Jeans trug ich ein grünes T-Shirt mit einem braun karierten Hemd darüber. Die beste Tarnkleidung, die ich auftreiben konnte. Am Ausguck angekommen, fegte ich die Blätter und Zweige zur Seite und schob sie auf einen Haufen. Dann schaufelte ich die Erde weg, bis die Müllsäcke zum Vorschein kamen, und schichtete sie auch neben der Kuhle auf. Ich wickelte das Gewehr aus und lud es. Mir zitterten die Hände. Ich versuchte, tief durchzuatmen. Ich schüttelte die Arme aus, trug das Gewehr zu der großen Eiche, setzte mich und hielt das Gewehr auf meinem Schoß. Das Wasser stellte ich neben mich. Und wartete. Von hier würde ich jeden Golfer am fünften Loch sehen können, lange bevor er zu der Stelle kam, wo ich schießen wollte. Dann konnte ich, während Lark sich hinter ein paar Kiefern auf den Weg über den Fairway machte, mit dem Gewehr den Hügel runtersteigen und mich hinter einem Gebüsch aus Traubenkirschen und Eschenahorn verstecken. Dort würde ich anlegen und warten, bis er nah genug dran war. Wie nah er kommen würde, hing davon ab, wo er den Ball hinschlug und wie der ausrollte, von wo er putten wollte und so weiter. Es gab viele Variablen, so viele, dass ich immer noch alle Möglichkeiten durchging, als plötzlich die Sonne so hoch stand, dass mir klar wurde, dass ich schon seit Stunden da saß. Sobald der übliche stete Strom von Golfern einsetzte, stand ich auf und entlud das Gewehr. Ich wickelte es in die zwei Müllsäcke, vergrub es wieder und streute Blätter und Zweige darüber. Auf dem Heimweg aß ich den Schokoriegel und steckte die Verpackung in die Hosentasche. Mein Magen hatte sich beruhigt. Jetzt, wo ich es für den Rest des Tages hinter mir hatte, war ich beinahe euphorisch. Ich trank den Rest Wasser, trug das leere Schraubglas mit mir herum und dachte an nichts. Jeder Baum, an dem ich unterwegs vorbeikam, faszinierte mich mit seinen unendlichen Details und seiner lebendigen Vielfalt. Ich hielt an, um zwei Pferden zuzusehen, die voller Anmut aufihrer Koppel grasten. Als ich zu Hause ankam, war ich so guter Laune, dass meine Mutter mich fragte, was mit mir los sei. Ich brachte sie zum Lachen. Ich aß und aß. Dann ging ich in mein Zimmer, schlief eine Stunde und wurde von demselben Strudel der Angst geweckt, der mich jedes Mal beim Aufwachen erfasste. Ich wusste, am nächsten Morgen musste ich wieder dasselbe tun. Und das tat ich auch. Als ich dann unter der Eiche saß, gab es Augenblicke, in denen ich vergaß, warum ich dort war. Ich stand auf und wollte gehen, weil es mir einfach verrückt vorkam. Dann sah ich wieder vor mir, wie meine Mutter blutend auf der Rückbank des Autos lag und ich ihr den Kopf streichelte. Oder wie sie aus ihrem Bett hervorstarrte wie aus einer dunklen Höhle. Ich sah meinen Vater hilflos im Supermarkt auf dem Boden liegen. Ich dachte an den Benzinkanister im See, an die im Haushaltswarenladen. Ich dachte noch an andere Dinge. Dann war ich bereit. Aber an jenem Dienstag kam er nicht. Und am Mittwoch kam er auch nicht. Für Donnerstag war Regen vorhergesagt, und ich überlegte, ob ich zu Hause

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