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Das Haus Nucingen (German Edition)

Das Haus Nucingen (German Edition)

Titel: Das Haus Nucingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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es für oberflächlich und berechnend erkannt. Gleich fast allen wohlerzogenen jungen Mädchen wußte Malvina nichts vom praktischen Leben, von der Macht des Geldes, der Schwierigkeit, solches zu erwerben, vom Preis der Dinge. Jede Lehre, die sie in diesen sechs Jahren ziehen mußte, war ihr wie eine Beleidigung erschienen. Die vierhunderttausend Franken, die der selige d'Aldrigger noch beim Bankhaus Nucingen stehen hatte, wurden als Guthaben der Baronin geführt, denn der Nachlaß ihres Gatten schuldete ihr zwölfhunderttausend Franken, und in Augenblicken der Bedrängnis tat die Sennerin einen Griff in diese Kasse, als sei sie unerschöpflich. Zur Zeit, als unser Tauber sich seiner Täubin näherte, hatte Nucingen, der den Charakter seines ehemaligen Chefs kannte, Malvina über die finanzielle Lage der Witwe aufgeklärt: es lagen nur noch dreihunderttausend Franken bei ihm, so daß die Rente von vierundzwanzigtausend Franken auf achtzehntausend heruntergesetzt werden mußte. Wirth hatte drei Jahre lang die Situation gehalten! Nach der vertraulichen Mitteilung des Bankiers wurden Pferde und Wagen abgeschafft und der Kutscher entlassen; das tat Malvina hinter dem Rücken der Mutter. Die Einrichtung des Hauses, die zehn Jahre alt war, konnte nun nicht durch neues Mobiliar ersetzt werden, aber alles war gleichzeitig alt und fadenscheinig geworden; für die, die eine gewisse Harmonie lieben, war es allerdings nur halb so schlimm. Die wohlkonservierte Baronin glich nun einer kalten und welken Rose, die inmitten des November als einzige am Busch hängt. Ich, der ich hier zu euch rede, habe mit angesehen, wie diese üppige Blüte allmählich, ganz allmählich verblaßte. Entsetzlich, mein Ehrenwort! Das war der letzte Kummer, den ich hatte. Später sagte ich mir: ›Es ist dumm, an andern so viel Interesse zu nehmen!‹ Als ich noch Beamter war, nahm ich Anteil an allen Häusern, in denen ich speiste, ich verteidigte sie vor übler Nachrede, ich spottete nicht über sie, ich ... Oh, ich war ein Kind! – Als ihre Tochter ihr die Lage der Dinge mitgeteilt, rief die ehemalige Perle entsetzt: ›Meine armen Kinder! Wer wird mir nun meine Toiletten nähen? Ich werde also keine neuen Hüte mehr tragen, keine Besuche empfangen, keine erwidern!‹ – Woran, meint ihr, erkennt man bei einem Mann die wahre Liebe?« unterbrach sich Bixiou. »Es handelt sich darum, zu wissen, ob Beaudenord ernstlich in die kleine Blonde verliebt war.« »Er vernachlässigt seine Geschäfte,« erwiderte Couture. »Er wechselt dreimal am Tage das Hemd,« sagte Finot. »Eine Gegenfrage,« sagte Blondet: »Kann und darf ein großer Mann überhaupt verliebt sein?« »Meine Freunde,« sprach Bixiou gefühlvoll weiter, »hüten wir uns wie vor einer Viper vor dem Mann, der, sobald er sich verliebt weiß, mit den Fingern schnippt oder seine Zigarren fortwirft und sich sagt: ›Pah! es gibt noch andere in der Welt!‹ Der Staat aber mag diesen Bürger im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten verwenden. Blondet, ich mache dich darauf aufmerksam, daß besagter Godefroid aus der Diplomatie ausgeschieden war.« »Man hat ihn ausgenutzt, aufgesogen! Die Liebe ist der einzige Weg, auf dem die Dummen zu einer gewissen Größe gelangen,« erwiderte Blondet. »Blondet, Blondet, warum nur sind wir so arm?« rief Bixiou. »Und warum ist Finot so reich?« entgegnete Blondet, »Ich will es dir sagen, mein Sohn, wir verstehen uns! Halt, Finot, du schenkst mir ja ein, als hätte ich deinen Klee gelobt. Weißt du nicht, daß man gegen Ende eines Diners am Wein nur nippen soll? ... Also weiter. Du hast es gesagt: der ›aufgesogene‹ Godefroid machte weitgehende Bekanntschaft mit der großen Malvina, der leichtsinnigen Baronin und der kleinen Tänzerin. Er versank in kleinlichste Abhängigkeit und Dienstbarkeit. Diese leichenhaften Reste einstigen Wohlstandes schreckten ihn nicht. Bewahre! Er gewöhnte sich schließlich an alle die Fetzen und Lumpen. Nie sollte die Möbelgarnitur aus grüner chinesischer Seide, die den Salon zierte, diesem Bewerber alt und verbraucht erscheinen. Die Vorhänge, das Teetischchen, die chinesischen Vasen auf dem Kamin, der Rokoko-Kronleuchter, der fadenscheinige Teppich, das Piano, das blumengezierte Teeservice, die Servietten mit spanischen Fransen und spanischen Löchern, der persische Salon, der dem blauen Schlafgemach der Baronin benachbart war, alles schien ihm geheiligt. Nur dumme Frauen, deren strahlende Schönheit Geist, Herz und

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