Das Herz der Wueste
Kamid endlich in sie eindrang, explodierte die Welt im Farbenrausch. Ein letztes Mal liebten sie sich leidenschaftlich, gierig, konnten nicht genug voneinander bekommen.
Oder war es nur Sex?
Es interessierte Jenny nicht, wie Kamid darüber dachte. Für sie war es Liebe, ein Geschenk des Herzens, das sie freiwillig und ohne Bedauern gegeben hatte, und sie genoss mit allen Sinnen, dass er für kurze Zeit noch einmal ihr gehörte …
Kamid half ihr, die Kleidung zu ordnen, hakte den BH zu und schloss die Knöpfe ihrer Bluse. Mit bebenden Fingern.
Weil er wusste, dass es vorbei war?
Dass er zum letzten Mal Jennys Kleidung berührte?
Jenny berührte?
Es sei denn …
„Warum willst du mich nicht heiraten?“, fragte er, als sie aufbrachen. Jenny hielt den nach Rosen duftenden Cremetiegel in den Händen.
Sie lächelte traurig. „Wahrscheinlich sind die Gründe so zahlreich wie die Sandkörner in dieser Höhle. Erstens deine Position in diesem Land und die Verpflichtung deinem Volk gegenüber. Dann deine Familie – was würde sie sagen, wenn du eine Ausländerin zur Frau nimmst? Außerdem liebst du mich nicht, und ich heirate keinen Mann, der mich nicht liebt. Das ist längst nicht alles, und bis ich jeden einzelnen Grund aufgezählt habe, kann das Baby drüben im Frauenzelt vermutlich schon krabbeln.“
Kamid hörte nicht mehr richtig hin. Das mit der Liebe beschäftigte ihn.
„Woher willst du wissen, dass ich dich nicht liebe?“, begehrte er auf.
„Tust du es denn?“
Wie das Richtige sagen? Was war das Richtige?
„Ich weiß nicht viel über Liebe“, begann er. „Ich liebe meinen Bruder, weil wir lange Zeit nur uns hatten. Unser Vater kümmerte sich nicht um uns, und unsere Mutter ließ uns von Zimmermädchen und Kinderfrauen versorgen, bevor wir mit sieben ins Internat geschickt wurden. In ein fremdes, kaltes Land. Arun und ich sind einander nicht von der Seite gewichen, haben alle Entscheidungen gemeinsam getroffen, Herausforderungen zusammen gemeistert. Mag sein, dass wir andere dadurch ausschlossen, niemandem die Gelegenheit gaben, sich mit uns anzufreunden. Eine Zeit lang zumindest.“
„Aber du hast Freunde?“
Kamid nickte. „Ja, sehr gute sogar, jeder von uns, und ich mag sie, aber das ist alles.“
„Was ist mit Frauen? Dir ist es doch bestimmt schon passiert, dass dein Puls anfing zu rasen, wenn du eine Frau angesehen hast? Oder dieser Schmerz in der Brust, weil ihr getrennt wart, und dann das Herzklopfen, sobald du wieder bei ihr sein konntest?“
Er dachte nach. „Pulsrasen, ja, das schon, aber vor Verlangen. Was ich bisher für eine Frau empfunden habe, würde ich nicht als Liebe bezeichnen.“
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf den Mund. „Dann tust du mir leid, Kamid. Auch wenn Liebe wehtut und der Verlust eines geliebten Menschen das Schlimmste ist, was einem passieren kann, so ist unser Leben ohne Liebe hohl und leer. Wir versuchen, diese Leere mit anderen Dingen zu füllen, suchen Herausforderungen, Abenteuer, Vergnügen.“ Sie schwieg kurz. „Eine Weile kann einem das sogar genügen.“
Sie duckte sich und schlüpfte aus der Höhle, und er folgte ihr rasch, aus Sorge, sie könnte sich verlaufen.
Was hatte sie mit dieser letzten Bemerkung gemeint?
Dass die Suche nach Abenteuer ihr nicht mehr genügte?
Dass eine neue Liebe ihr leeres Herz füllte?
Dass sie ihn liebte?
Er streckte die Hand nach ihr aus, aber zu spät. Sie hatte sich am Zelteingang der Sandalen entledigt und begrüßte drinnen schon die Frauen, die auf sie warteten.
Kamid marschierte zu seinem gewohnten Platz, bereit, allzu Medizinisches oder weiblich Intimes, das den Stammesführer in Verlegenheit bringen würde, zu übersetzen, aber er war nicht da.
„Wo ist er?“, fragte er den Mann, der sie geholt hatte.
„Bei einer Besprechung. Er will nicht gestört werden, es sei denn, es gibt Probleme mit seiner Frau oder dem Kind. Die Geburt seines Sohnes hat ihn dazu gebracht, seine Gebietsansprüche zu überdenken, und er hat sich zu Friedensverhandlungen bereit erklärt. Ich soll der Ärztin etwas ausrichten. Könnte ihre Organisation nach Beendigung der Kämpfe auch seinen Stamm auf Tuberkulose untersuchen? Das würde auch die Flüchtlinge vor Ansteckungsgefahr schützen, wenn sie in ihre Dörfer zurückkehren.“
„Sagen Sie ihm, ich garantiere dafür, dass das gleiche Programm auch hier durchgeführt wird.“ Damit der andere nicht misstrauisch wurde, weil Kamid über so
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