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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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war ihm unergründlich, und oft ertappte er sich dabei, dass er in seinen Gebeten nach einer Erklärung verlangte. Nicht die Erlösung seiner Tochter war es, um die er bat. Sein einziger Wunsch war, dass sie wieder gesund würde.
    Angesichts dieses Beispiels seiner Selbstsucht wurde Peter von Wut und Scham ergriffen.
    Er knetete seine Finger, beäugte ihr schlafendes Gesicht.
    »Es gibt Sünden, die uns zu Teufeln machen«, hatte der Priester diese Woche im Bethaus verkündet. Peter zwickte
sich in den Nasenrücken und kniff die Augen zusammen, während er versuchte, sich zu erinnern, welche das waren.
    Zu lügen oder zu morden, das waren Sünden. Martha war einmal dabei ertappt worden, dass sie ein schmutziges Kätzchen im Küchenschrank versteckt hatte, und als Sarah sie danach fragte, hatte sie behauptet, nichts von irgendwelchen Kätzchen zu wissen. Aber das konnte wohl kaum eine der Sünden sein, die der Pfarrer im Sinn gehabt hatte.
    Das Göttliche zu schmähen oder zu verhöhnen, das waren Sünden. Es war sündhaft, andere zu Missetaten zu verführen. Sich dem göttlichen Richtspruch zu widersetzen. Neid. Trunksucht. Hochmut.
    Peter schaute auf die zarte, fast durchscheinende Haut der Wangen seiner Tochter hinab. Er ballte eine Hand zur Faust, drückte die Knöchel fest in die andere Handfläche. Wie konnte Gott solche Qualen über eine Unschuldige bringen? Warum hatte Er Sein Antlitz von ihm abgewandt?
    Vielleicht war es ja gar nicht Marthas Seele, die in Gefahr war. Vielleicht wurde das Kind ja für Peters eigenen hochmütigen Mangel an Glauben gestraft.
    Während diese unwillkommene Furcht in Peters Brust erblühte wie eine Knospe, hörte er draußen auf der schlammigen Straße Hufe trappeln und vor seinem Haus zum Stehen kommen. Gedämpfte Stimmen, ein Mann und eine Frau, ein Wortwechsel, knirschendes Sattelleder, ein dumpfes Platschen. Das wird Jonas Oliver mit jener Frau sein , dachte Peter. Er stand von der Bettkante auf, als es leise an der Tür klopfte.
    Auf seiner Vortreppe, in einen nassen, wollenen Umhang mit Kapuze gehüllt, stand eine junge Frau mit weichen, offenen Zügen. Sie trug eine kleine Ledertasche in den Händen, und ihr Gesicht war von einer gestärkten weißen Haube eingerahmt, der man den meilenlangen Ritt, welchen sie
gerade hinter sich gebracht hatte, nicht anmerkte. Hinter ihr im Schatten stand die vertraute breite Gestalt von Jonas Oliver, der ein freier Bauer wie Peter und dessen Nachbar war.
    »Gevatter Petford?«, erkundigte sich die junge Frau und blickte rasch in Peters Gesicht empor. Er nickte. Sie warf ihm ein aufmunterndes Lächeln zu, während sie die Wassertröpfchen von ihrem Umhang schüttelte und ihn sich über den Kopf zog. Sie hängte den Überwurf auf einen Haken neben der Türangel, strich sich mit beiden Händen den zerknitterten Rock glatt, eilte dann quer durch den ärmlichen, dunklen Raum und ging neben dem Bett des Mädchens auf die Knie. Peter beobachtete sie einen Moment lang und wandte sich dann Jonas zu, der ebenso durchnässt in der Tür stand und sich lautstark in ein Sacktuch schnäuzte.
    »Was für eine unwirtliche Nacht«, sagte Peter anstelle eines Willkommensgrußes, was Jonas mit einem Brummen quittierte. Er schob das Tuch in seinen Ärmel zurück und stampfte ein paar Mal mit den Füßen auf, um den Schmutz von seinen Stiefeln zu lösen, doch das Haus betrat er nicht.
    »Etwas zu essen, bevor Ihr geht?«, bot Peter an und rieb sich zerstreut mit der Hand über seinen Schädel. Er war sich nicht sicher, ob es ihm recht wäre, wenn Jonas sein Angebot annahm. Es hätte ihn abgelenkt, ein wenig Gesellschaft zu haben, jedoch war sein Nachbar noch weniger ein Freund müßiger Plauderei als er selbst. Sarah hatte oft behauptet, dem Jonas Oliver könne sogar ein Ochsenkarren über den Fuß fahren, und er würde dennoch keine Miene verziehen.
    »Gevatterin Oliver wartet gewiss schon«, lehnte Jonas die Einladung mit einem Achselzucken ab. Er schaute zur anderen Seite des Zimmers, wo die junge Frau am Bett des Mädchens hockte und ihm etwas zuflüsterte. Neben ihren Knien saß ein aufmerksamer, etwas zerzaust aussehender kleiner
Hund von braungelber Farbe, der auf dem Dielenboden winzige schlammige Pfotenspuren hinterlassen hatte. Jonas fragte sich vage, ob das Tier Gevatterin Dane gehörte, und wo sie es wohl während ihres langen Weges bei sich gehabt hatte; jedenfalls hatte er es nicht bemerkt, und ihre Ledertasche schien kaum groß genug zu sein.

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