Das lange Lied eines Lebens
Kinsman vermache, damit dieser sich so in der Welt bewege, wie er es verdiene – als Gentleman.
Und nun wirst du wissen wollen, wie weit Thomas Kinsman – der sich in London plötzlich als vermögender Mann, schwarzer Gentleman, Eigentümer der Druckerei und des hohen Hauses in der Water Lane wiederfand – es tatsächlich gebracht hat. Wie gespannt du dich auf deinem Stuhl vorbeugen wirst, um alle Einzelheiten seines neuen Lebens in der englischen Gesellschaft in Erfahrung zu bringen! Welch große Augen du machen wirst in Erwartung einer ruhmreichen Geschichte vom Erwerb eines Vermögens! Und das bei einem Schwarzen!
Doch leider bist du nun an dem Teil von Thomas Kinsmans Erzählung angelangt, wo alle Angaben, die er früher in ermüdenden Details ausschmückte, seltsamerweise aussetzen. Aus Gründen, die sich nur von der pulsierenden Ader, die an seinem Kopf hämmert und pocht, ablesen lassen, versagt es sich Thomas Kinsman, sich jene Zeit ins Gedächtnis zurückzurufen. Vielleicht zieht er seine Uhr aus der Tasche und erklärt, er komme zu spät zu einer Verabredung. Oder er will sich eine
Pfeife stopfen und bittet um Erlaubnis, seinen Tabak oder ein Zündholz zu suchen. Oder er wedelt einfach mit der Hand vor dem Gesicht, als müsse er die Erinnerung verscheuchen, verdreht die Augen, seufzt schwer und bittet darum, ihn gehen zu lassen. Und solltest du so töricht sein, darauf zu beharren, dass er seine Geschichte weitererzählt, verliert er die Geduld, von der er viel hat. Nein. Kein Protest wird ihn dazu bringen, mit seiner Geschichte fortzufahren, bis er die Küste Englands verlassen hat. Keine Bitten, keine Beschwerden werden die Erzählung in Gang bringen, bis drei stumme Jahre verstrichen sind und Thomas Kinsman erneut auf der Insel Jamaika weilt.
Dort wird seine Geschichte wieder einsetzen – wie er stolz in seiner neuen Druckerei in der Water Street, Falmouth, steht und seine drei kostbaren Columbian-Pressen und eine Platen-Presse überwacht, die fest im Fußboden verankert sind; und kein verwirrter, kein enttäuschter Blick seines Zuhörers kann ihn davon abbringen.
So wirst du also, lange bevor du es möchtest, vor einem zweistöckigen geweißten Holzhaus stehen, das vom Gewirr einer neugierigen Menge schwitzender Neger, einem räudigen braunen Hund und zwei meckernden Ziegen umkreist ist, die alle das gemalte Schild Messrs Kinsman and Co. bestaunen, das gerade über den vier Säulen der neuen Druckerei angebracht wird.
Doch das Gezeter vor der Werkstatt ist viel lauter als die Geräusche, die von drinnen herausdringen. Die vier Druckerpressen, die drei Druckformen, die Verschläge der Korrektoren und das Büro – alles steht still, denn kein weißer Geschäftsmann auf der Insel würde sich dazu herablassen, Messrs Kinsman and Co. zu beschäftigen.Wie kommt ein schwarzer Junge dazu, sich zu kleiden und zu sprechen wie ein weißer Gentleman?, fragen die englischen Kaufleute und Pflanzer, während sie in ihren Klubs Kaffee schlürfen. Wie kann sich ein Hottentotte ohne auch nur einen Tropfen weißes Blut in den Adern zum Besitzer
einer Druckerei aufschwingen? Ein Nigger mag mettieren, die Presse bedienen, nach sorgfältiger Unterweisung vielleicht sogar Korrektor werden, doch kein Sklavensohn könnte je eine Druckerwerkstatt von Wert leiten. Dieser breitnasige, wulstlippige Teufel geht zu aufrecht, befanden sie.
Obwohl die Platen-Presse bisweilen zum Einsatz gelangte, wenn Neger vom Trockengutgeschäft, vom Fremdenheim oder von den Freimaurern eifrig darum ersuchten, dass ihre kleinen Handzettel von Messrs Kinsman und keinem anderen gedruckt wurden, so waren es doch Großaufträge jener wohlhabenden Weißen, denen die Kais, die Lagerhäuser, die Schiffe und die Plantagen gehörten, in die seine Pressen die Zähne schlagen wollten.
Also ging Thomas Kinsman sonntags in die St Peter’s Church. Dort, im Rahmen einer widerstrebenden christlichen Gemeinde, mussten ihn die Weißen gezwungenermaßen grüßen, wenn auch empört und lamentierend. Und während der langen, langen Predigten skizzierte Thomas heimlich ihre Gesichter, notierte ihre Namen in ein kleines Buch und sandte ein Stoßgebet an seinen Schöpfergott: »Einer«, begann es, »bitte mach, dass einer dieser weißen Geschäftsmänner – einer nur – mit einem guten Auftrag kommt, und ich werde dafür sorgen, dass andere ihm folgen.«
Und Thomas wird grinsen, wenn er dir erzählt, dass die Wege des Herrgotts unergründlich sind. Denn
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