Das Licht Von Atlantis
dem, was ich weiß...«
»Wenn es notwendig wird, tue ich es vielleicht«, erwiderte Micon, nun wieder gefasst. »Jetzt brauche ich nur Ruhe. Es kann sein, dass ich ganz plötzlich und ohne Vorwarnung auf dein Angebot zurückkommen muss. Ich werde dich dann beim Wort nehmen, und ich danke dir von Herzen!«
Deoris richtete die Augen unverwandt auf ihre Schriftrolle und tat, als sei sie völlig ins Lesen vertieft. Dabei spürte sie Rajastas strengen Blick auf dem Hinterkopf.
»Deoris«, fragte der Priester ernst, »was tust du hier?«
Micon lachte. »Sie ist meine Skriptorin, Rajasta, und ich habe vergessen, sie nach Hause zu schicken.« Er stand auf, ging zu Deoris hinüber und legte ihr die Hand auf den Lockenkopf. »Es ist genug für heute. Lauf, mein Kind, und spiele.«
Mit Micons freundlichem Lächeln entlassen, eilte Deoris ins Haus der Zwölf und suchte Domaris. In ihrer jungen Seele herrschte ein Durcheinander von Wörtern: Schwarzmäntel, Leben, Tod, Abtrünnigkeit - was immer das bedeuten mochte -, Folter, Domaris soll einen Sohn gebären... Unverständliche Bilder huschten an ihrem geistigen Auge vorbei. Atemlos stürzte sie in ihre gemeinsame Wohnung.
Domaris beaufsichtigte Sklavinnen, die dabei waren, saubere Kleidungsstücke zu falten und zu sortieren. Das Zimmer war gefüllt vom Licht der Nachmittagssonne und dem Duft nach frischem, glattem Leinen. Das Geplauder der Sklavinnen - kleine dunkle Frauen mit geflochtenem Haar und den typischen Gesichtern der Pygmäenrasse, der die Tempelsklaven angehörten - klang wie Vogelgezwitscher. Die kleinen Frauen trippelten ohne Unterlass um das hochgewachsene Mädchen herum, das in ihrer Mitte stand und ihnen in freundlichem Ton Anweisungen erteilte.
Als Domaris sich umdrehte und fragend zur Tür blickte, schwang ihr offenes Haar anmutig um die Schultern. »Deoris! Zu dieser Stunde! Ist Micon -?« Sie brach ab und wandte sich an eine ältere Frau, die keine Sklavin, sondern eine Bürgerin der Stadt und ihr als persönliche Bedienung zugeteilt war.
»Mach hier bitte weiter, Elara«, wies Domaris sie an. Dann winkte sie Deoris zu sich. Der Ausdruck, den das Gesicht des Kindes zeigte, ließ ihren Atem stocken. »Du weinst ja, Deoris! Was ist los?«
»Nichts!« widersprach Deoris und hob ihr vor Aufregung gerötetes Gesicht. »Es ist nur, dass - dass ich dir etwas erzählen muss -«
»Warte, nicht hier. Komm -« Sie zog Deoris in ihre gemeinsame Schlafkammer und betrachtete die erhitzten Wangen des Mädchens mit Sorge. »Was tust du hier zu dieser Stunde? Ist Micon krank? Oder -« Sie hielt inne, unfähig den Gedanken, der sie quälte, auszusprechen, ja nicht einmal fähig, ihn vor sich selbst klar zu formulieren.
Deoris schüttelte den Kopf. Nun, da sie Domaris gegenüberstand, wusste sie kaum, wie sie anfangen sollte. Mit zitternder Stimme begann sie dann: »Micon und Rajasta haben über dich gesprochen... sie sagten -«
»Deoris! Still!« Erschrocken legte Domaris die Hand auf die zu eifrigen Lippen. »Du darfst mir niemals weitersagen, was du bei den Priestern gehört hast! Das ist einer der wichtigsten Grundsätze, die im Bereich des Tempels des Lichts zu beachten sind!«
Deoris war wütend über die indirekte Zurechtweisung. »Aber sie haben vor meinen Augen miteinander geredet! Sie wussten beide, dass ich da war! Und sie sprachen von dir, Domaris. Micon sagte, dass du -«
»Deoris!«
Der strenge Blick der Schwester sagte dem Kind, dass dies eine der seltenen Gelegenheiten war, wo Domaris keinen Ungehorsam duldete. Missmutig blickte Deoris zu Boden.
Domaris sah bekümmert auf den gesenkten Kopf ihrer kleinen Schwester nieder. »Deoris, du weißt doch, dass ein Skriptor niemals wiederholen oder weitergeben darf, was zwischen den Priestern gesprochen wird. Das ist die erste Regel, die du gelernt haben solltest!«
»Ach, lass mich in Ruhe!« stieß Deoris zornig hervor. Gejagt von einer Furcht, die sie weder beherrschen noch verbergen konnte, lief sie aus dem Zimmer, ein zorniges Schluchzen in der Kehle. Welches Recht hatte Micon - welches Recht hatte Rajasta - es war nicht recht, nichts davon war recht... Aber wenn Domaris nicht einmal zuhören wollte, was konnte sie, Deoris, da noch tun?
Deoris hatte die Bibliothek kaum verlassen, als Rajasta sich Micon zuwandte. »Die Angelegenheit muss Riveda zur Kenntnis gebracht werden.«
Micon seufzte müde. »Warum? Wer ist Riveda?«
»Der Erste Adept der Graumäntel. Es
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