Das Liebesspiel - Tripp, D: Liebesspiel
schon, Janie«, sagt sie ungeduldig.
»Ich bin nicht dran.«
»Und ob. Guck auf die Punkte.« Sie beugt sich vor, blickt aufs Papier. »Hast du mir die sieben von eben aufgeschrieben? Noch nicht, oder?«
Ich sehe kurz nach. Nein.
»Kleine Betrügerin.«
Auf dem Papier: ihr Name. Die Zahlen in klaren, säuberlichen Spalten addiert, unter einem massiven dunklen Strich, darüber ihr Name. Ich schreibe sieben Punkte auf. Rechne sie zum Spielstand hinzu. Zweihunderteinundfünfzig. Gegenüber meinen zweihundertzweiundsechzig. Und ich bin an der Reihe.
Ich zähle die Steine, die noch im Deckel liegen. Acht. Bald, innerhalb der nächsten halben Stunde, vielleicht weniger, werden alle verteilt sein. Die Partie wird vorbei sein. Jedes Wort, das wir heute legen, wird gelegt sein. Ich werde das Spielbrett an den Kanten fassen, die zwei Hälften aufeinander zuknicken und die Rinne in der Mitte bilden, das Brett über den Kasten heben, schräg halten, damit alle Steine hinunterrauschen, ein Prasseln leichten Holzes auf Holz, Buchstaben, Wörter werden ineinandergespült, fortgewaschen.
Es ist ein Geräusch, das ich liebe. Ein Geräusch, das ich immer geliebt habe.
Eine Ecke hat sie frei gelassen. C-H-E-F , ein Wort, das sie vor einiger Zeit gelegt hat. Dort ragt es ins Leere, das I-S , links von ihm eine offene Nische. Ich will mein J loswerden und waagerecht J-U-S anlegen, da fällt es mir auf. Das Q ist noch nicht auf dem Brett. Auf Adas Bänkchen oder unter den noch nicht umgedrehten Steinen ist das Q auf freiem Fuß, zusammen mit dem letzten wertvollen Blankostein.
Ich lege das U beiseite. Und verwende das J an anderer Stelle, weiter oben. Ich ziehe neue Buchstaben. Daumen drücken. Als Erstes: noch ein U . Daumen drücken. Ja. Da ist es: Q . Zehn Punkte. Und auf meinem Bänkchen bereitet man ihm einen ordentlichen Empfang. Q. U. N. E. N. O. U. So weit, so gut. Ich kann gewinnen.
Als Marne einmal aus Kalifornien nach Hause kam, brachte sie ein T-Shirt mit, das sie dort in einem ausgefallenen Einrichtungsgeschäft entdeckt hatte. Sie erzählte mir, in dem Laden könne man auch Scrabble-Spiele aus Mahagoni kaufen, zweihundert Dollar das Stück; legte man noch fünfzig drauf, würde der eigene Name eingraviert. Das T-Shirt war schwarz, darauf war in auffälligen weißen Buchstaben geschrieben: WHO NEEDS U ?, und darunter eine Auflistung von Wörtern mit Q, die man ohne U schreibt. Ich hätte gar nicht gewusst, dass es solche Wörter gibt, sagte ich. Marne lieh mir das T-Shirt aus und ich zog es an, als wir uns das nächste Mal zum Scrabble trafen. Damals lebte Vivienne noch, sie behauptete, einige der Wörter zu kennen – Qindar, Qigong, Qaida − , sie hätte sie im überarbeiteten Scrabble-Wörterbuch gesehen, einem Wörterbuch, das wir nie als Referenz für unsere Spiele benutzt haben. Vivienne hatte Riesenspaß an dem Shirt, Ada konnte nichts damit anfangen.
»Yuppies«, schimpfte sie. »Müssen losgehen und sich neue Wörter ausdenken, weil sie praktisch ausrasten, wenn sie kurz vor Schluss ein Q ziehen und alle Us schon weg sind.«
Als Carl und ich gestern in der Küche saßen und Ray und Marne draußen auf der Veranda waren, sah ich einmal kurz aus dem Fenster und merkte, wie meine Tochter am ganzen Körper erschauderte, als sie Ray einen heimlichen Blick zuwarf und feststellte, dass er sie längst anschaute. Schnell wandte sie den Blick wieder ab und da sah ich es, dieses Leuchten in ihren Augen, das sie zu verbergen sucht, dieses stille, heimliche Lächeln.
Das erzähle ich Ada jetzt. Ich erzähle ihr alles und rechne damit, dass sie auffährt, etwas Heftiges, nicht sehr Nettes sagt. Sie hört jedoch nur zu, während ich schildere, wie Ray gestern Morgen vorbeikam, unerwartet, auf der Suche nach Alex, wie er sich mit Marne draußen auf die Veranda setzte und meine zähe, kleine, toughe Tochter auf dem Schlauch stand.
Ada schmunzelt. »War es nicht deine Marne, die mal diesen Satz über die Liebe gesagt hat – das war doch Marne, oder? −, wie hat sie sich noch ausgedrückt? Liebe sei nur ein Wort mit fünf Buchstaben? Ha!« Sie lacht. »Holt es nicht irgendwann alle ein?«
Ich zögere.
Dann frage ich sie. »Luce«, sage ich. »Mein Vater. Was war er für dich?«
Das ist alles, was ich sage. Ich weiß, es ist alles, was ich sagen muss. Sie antwortet nicht. Kurz bin ich mir nicht ganz sicher, ob sie es überhaupt gehört hat. Sie blickt auf die noch nicht umgedrehten Buchstaben, den verbleibenden
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