Das Liebesspiel - Tripp, D: Liebesspiel
das sonnengebräunte, kantige Kinn, unrasiert seit einem Tag. Der Eisenmann ist groß, er sieht gut aus auf eine gradlinige Weise, als wäre er auf das Leben getroffen und von da an wäre es einfach immer nur vorwärtsgegangen. Carl hält den Blick auf etwas gerichtet, ungefähr auf ein Uhr neben dem Bug, er hat etwas entdeckt, seine Adleraugen, Huck schaut hin und sieht es dann auch – ein winziges Blitzen inmitten des blendenden Wassers.
»Los«, sagt Carl leise, »sag du Bescheid!«
»Fisch!«, ruft Huck. »Auf halb zwei.« Und Carl greift zum Steuerrad oben im Ausguck, wendet das Boot, sie fahren auf das Ding zu, Huck lässt die Rückenflosse nicht aus den Augen, Carl gibt Swig im Ruderhaus Anweisungen, bis sie nah genug dran sind, dass Swig den Fisch selbst sehen kann.
»Bis später, Huck«, sagt Carl und setzt den Stiefel auf das untere Tau. Er umklammert das obere, schlüpft zwischen ihnen hindurch in den Bugkorb und nimmt die Harpune. Oben vom Mast kann Huck den Fisch schwimmen sehen, seine breiter werdende, dunkle Masse unter Wasser, und als sie sich ihm nähern, gibt es einen Augenblick, da sich die Form plötzlich ändert, aufzusteigen scheint, Rückenflosse, Heckflosse, der gesamte Fisch steigt in einer Fata Morgana aus dem Wasser, von der grellen Sonne angezogen, als würde er dort schweben, in der Luft. Carl holt mit der Harpune aus, wirft sie, seine linke Hand lenkt den Spieß mit lockerem Griff, das Eisen stößt durch die Oberfläche, die Spitze sinkt hinten in die Rückenflosse, direkt daneben, und der Fisch, sauber getroffen, taucht ab. Die Leine läuft aus, wickelt sich aus der Wanne, Swig stellt den Motor aus, dreht das Boot auf Steuerbord. Als die Leine bis zum Ende abgewickelt ist, wuchtet Carl Dyer das Fass über Bord.
Dann gibt es nichts mehr zu tun, als darauf zu warten, dass der Fisch müde wird und stirbt. Mit einem Auge schielen sie auf einen zweiten Fang, aber es gibt keinen, und eine Stunde später spüren sie ihr Fass auf, holen die Leine ein, legen eine Schlinge um den Schwanz und hieven den Schwertfisch heraus. Ein großes, glotzendes Auge.
»Zurück, Huck«, sagt Carl. Er sticht mit dem Messer in die Kiemen, trennt sie auf. Literweise rauscht Blut ins Wasser.
Fast ist es Abend, als sie im Hafen einlaufen, Niedrigwasser, sie halten sich an die Fahrrinne. Als sie um Lion’s Tongue herumfahren, kommt Point in Sicht, zusammengekauerte Zedernholzhäuser, die vorspringenden Stege, einige Boote bereits zurück, laden ab, Fisch wird ausgenommen, gewogen. Am Hafen hat sich eine Menschenmenge versammelt, Urlauberkinder in weißen T-Shirts flitzen umher, ein Mädchen mit einem Schwert weicht einem Jungen auf dem Fahrrad aus, Frauen lachen, warten bei den Waagen auf ein Stück Fisch, das sie zum Abendessen mit nach Hause nehmen wollen. Alte Leute bummeln herum, einige sitzen einfach auf der Bank draußen vor dem Hafenhaus, tun nichts und wollen nichts anderes, als den Tag vorbeiziehen sehen.
Als sie am Crack Rock vorbeikommen, entdeckt Huck sie. Jane Weld. Ist sie das nicht? Dort am städtischen Kai steht sie mit abgewandtem Gesicht, allein, schaut zur alten Brücke und zu der grell beleuchteten Schnur von Wagen, die über die neue fahren. Sie ist da und es ist nur sie, fast am Ende des Kais, sie in ihrer perfekten, beständigen Stille wartet auf ihn, so wie er es sich immer erträumt hat, der dämmrige Glanz des Abends legt sich auf ihre nackten Arme, über die geschwungene Linie ihres Nackens, wo das Haar zur Seite geweht wird.
Dreh dich um, denkt Huck, als sie näher kommen. Dreh dich um. Er denkt es inbrünstig, der Gedanke ein Brennen, ein Zauberspruch. Dreh dich um, und als würde sie ihn hören, tut sie es tatsächlich, dreht sich um, und ihr Blick streift seinen, diese sonderbare, schimmernde Distanziertheit von ihr durchfährt ihn. Die Menschenmasse um sie herum regt sich, bricht auf. Möwen kreisen, umrunden das Boot, kreischen, kirre vom Geruch des aufgehängten toten Fischs. Jane hebt die Hand, schirmt das Gesicht vor der Sonne ab, die Schultern durchgedrückt, eine gewisse Stärke in ihrer Haltung, etwas Kühnes und Unerwartetes, das er noch nie an ihr gesehen hat, und alles drum herum wirkt überzogen bunt – billiger, greller Schund –, alles außer ihr, und sie ist da und es ist nur sie, der Fixpunkt in der Stille, abgehoben von allen anderen beweglichen Dingen.
Wie wird er es ihr sagen? Wie kann er sie lieben, ohne ihr das eine zu sagen? Aber wie das erklären?
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