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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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nicht mein Wille, Thankmar, dass Euer Vater sterben musste. Ich wollte ihn begnadigen. Ich versichere Euch, dass Ihr eine angemessene Verhandlung bekommt. Nach Recht und Gesetz.»
    «Eine Verhandlung? Ihr wollt über mich Gericht halten? Ihr – der falsche König?»
    «Ich bin vor Gott und dem Volk zum König gekrönt worden. Ich bin Heinrichs Erbe. Einen solchen Anspruch könnt Ihr nicht nachweisen!»
    «Und wenn doch?»
    «Wie wollt Ihr das tun?»
    Thankmar bemerkte aus den Augenwinkeln eine Bewegung. Der Normanne stand ganz still auf dem First, den Blick auf ihn gerichtet. Es sah so aus, als habe er sich nicht von der Stelle bewegt. Dennoch wurde Thankmar den Eindruck nicht los, der Krieger sei ein Stück näher herangerückt. Aber das konnte täuschen.
    Er wandte sich wieder dem Glockenturm zu. «Wenn ich den Nachweis erbringe, dass Heinrich meinen Vater zum Thronfolger bestimmt hat, werdet Ihr dann mein Recht anerkennen?»
    «Nicht ich allein kann das tun. Das wisst Ihr. Ihr braucht die Zustimmung der Bischöfe und Fürsten.»
    Natürlich brauche ich die, du Bastard, dachte Thankmar, und du wirst dafür sorgen, dass ich sie bekomme.
    Er griff dem Jungen in die Haare und beugte seinen Kopf über den Abgrund. Der König zuckte zusammen.
    «Ich vermute», rief Thankmar, «dass einige Bischöfe und Fürsten bei Euch sind. Lasst sie vor Gott schwören, dass sie mich krönen werden, wenn ich mein Anrecht beweise.»
    Er drückte den Knaben noch etwas weiter über den Abgrund. «Wenn Euch das Leben Eures Sohnes etwas bedeutet.»
    Otto zog sich erneut zurück. Dieses Mal dauerte es etwas länger, bis sein Gesicht wieder im Fenster erschien.
    «Ihr müsst uns von Eurem angeblichen Anrecht überzeugen!»
    Das werde ich, dachte Thankmar, und ein wohliges Gefühl durchflutete seinen Körper wie ein wärmender Sonnenstrahl. Jetzt hatte er sie da, wo er sie haben wollte. Der Augenblick der Wahrheit war gekommen. Jetzt konnten sie nicht mehr zurück, der König und diese ganzen falschen Nattern, diese speichelleckenden Bischöfe und Fürsten, die in seinem Schleim dahinkrochen und sich an seinen Ausscheidungen labten. Nein, sie konnten nicht mehr zurück. Niemals.
    Er hatte gewonnen!
     
    Als der Graf den Knaben losließ und unter sein Hemd griff, schob sich Hakon weiter vorwärts. Die Füße glitten über den First und hielten erst inne, als der Graf wieder aufschaute.
    Hakon musste auf den geeigneten Moment warten. Aber er hatte nicht mehr viel Zeit. Sein angestochener Oberschenkel verkrampfte sich, und das Blut rann aus seiner zerschnittenen Hand.
    Er sah den Grafen etwas unter seinem Hemd hervorziehen und es dann hochhalten wie eine Trophäe. Das Pergament! Hakon erkannte es wieder, das verdammte Schriftstück.
     
    Der Graf begann zu lachen. Immer lauter lachte er. Den Kopf in den Nacken gelegt, lachte er gurgelnd in den blauen Himmel. Stützte sich mit der einen Hand an der Mauer ab und hielt mit der anderen das Pergament in die Höhe.
    Ich sollte mir damit den Hintern abwischen, damit es irgendeinen Wert hat!
, kamen Hakon die Worte seines Vaters in den Sinn. Wie sehr Sigurd sich doch geirrt hatte. Die Worte auf dem Pergament schienen nicht nur für den Grafen von großer Bedeutung zu sein. Anscheinend konnten sie den Lauf der Welt beeinflussen.
    Hakon schob sich weiter voran. Noch drei Schritt trennten sie. Zu weit, um sich auf den Mörder zu stürzen, aber dennoch dicht genug, dass der Graf seine Absicht erkennen konnte.
    Doch er beachtete ihn nicht. Er lachte noch immer. Tränen rannen über seine Wangen, und er rief: «Ich bin der König! Ich bin der König!»
    Hakons Füße krochen über den First. Noch zwei Schritt.
    Er machte sich bereit. Einen Kampf würde es nicht geben. Nein, er hatte den Gedanken verworfen, den Grafen im Zweikampf zu töten. Zu groß war die Gefahr, dabei vom Dach zu stürzen. Der Graf mochte abgelenkt sein, aber er war schnell. Es gab nur eine einzige Möglichkeit: Hakon musste ihn mit sich in die Tiefe reißen. In den Tod. In den sicheren Tod für sie beide.
    Er hörte das gierige, sprudelnde Lachen und sah das Pergament vor seinen Augen tanzen. Er spannte die Muskeln an. Er war bereit.
    «Ich bin der …», rief der Graf.
    Da schoss vom Himmel ein Schatten herab, stürzte sich auf ihn und riss ihm das Pergament aus der Hand.
    Hakon sah den Raben im Gleitflug einen weiten Bogen beschreiben, dann die Flügel kräftig durchschlagen und schließlich auf der Spitze der Kirchenkuppel

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