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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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her schwenkte. Sie besah auch ihre Zähne, kommentierte weder das Blut, noch die Lücke die dort jetzt war. Ob Fingermann den Zahn aus dem Kies gewühlt hatte und als Trophäe behalten würde?
    A wurde zurück in den anderen Raum bugsiert. Die graue Dame nahm wieder Platz hinter ihrem Schreibtisch. As Kopf wurde immer schwerer. Sie wollte sich zusammenrollen wie eine Katze und schlafen bis all das hier nicht mehr existierte.
    Sie hörte die graue Dame sprechen, doch nicht zu ihr. Ihre Gedanken wurden so langsam, der Atem wurde immer weicher.
    »Name: Anevay. Größe: 1,72m, aber noch nicht ausgewachsen. Braune Augen mit goldenen Einschlüssen in der Iris. Etwa fünfzehn Jahre alt, Zyklus noch ausstehend. Magievererbung - ungewiss.  Schwarzes, langes Haar, leicht schrägstehende Augen,  Muttermal rechts über der Oberlippe, eventuell ein Mischling.«
    Die Worte begannen in A zu flimmern, ihr Kopf sank auf die Brust. Er war so schwer, wollte nicht länger oben bleiben. Schlafen, ausruhen.
    »Ich empfehle fürs Erste den Ruheraum. Weitere Tests sind notwendig. Ein gebrochenes Handgelenk … Krankenstation …« A schlief bereits. Ein Ruheraum, wie schön.
     

 

Die Pfeiler der Könige
     
    Lord Robert T. Humberstone blickte aus dem Fenster und grübelte, bis sich seine tiefbraunen Augen wohl zum hundertsten Mal auf die alte Schiffsuhr in seinem Zimmer hefteten, ein glorreiches, meisterhaftes Vermächtnis eines seiner Vorfahren. Seit über einer Stunde war er bereits reisefertig, das lange, schwarze Haar ordentlich in vier bronzene Adelszeichen gebunden, der Kragen seiner Uniform makellos, die goldenen Epauletten ein Salut an Vorschriftsmäßigkeit, der Säbel eingehakt, der Sieben-Kammer-Revolver poliert und versteckt. Das blutrote Emblem der Eliteeinheit ihrer Majestät, ein dreiköpfiger Drache, prangte am Revers der dunkelblauen Jacke der königlichen Marine. Das Abzeichen der Zauberkundigen dagegen war verborgen auf der Innenseite. Ein einfaches, silbernes Labyrinth, das von vielen vertikalen Kerben durchzogen war. Auch der verkrüppelte Arm war an seinem Platz. Die Metallumhüllung, die den kümmerlichen Rest von Muskeln und Knochen umschloss, hing in einer speziellen Metallöse leicht an der Seite, leicht vor der Hüfte und platzierte seinen Arm genau dort, wo er am natürlichsten aussah. ›Wo er nicht ganz so nutzlos wirkt‹, korrigierte sich Robert, denn zu übersehen war dieses Ungetüm aus Mechanik für niemanden.
    Es klopfte leise. Die Tür wurde geöffnet und Agnes, die stille, betagte Hausdame, trat ein.
    »Der Wagen ist vorgefahren, Sir.« Ihre Worte waren sanft und wohltuend.
    »Sehr schön. Danke, Agnes.« Die Tür schloss sich beinahe lautlos.
    Es war Zeit.
    Robert nahm seinen Marinehut von dem Tisch neben sich, setzte ihn auf, griff nach seiner Aktenmappe und verließ das Zimmer. Er schritt den langen Flur entlang. Dunkle Vertäfelung, gelegentlich Ziertischchen, auf denen Blumen welkten, oder Kerzenständer ohne Kerzen standen. Nun klopfte auch er zögernd an eine Tür. Ein kraftloses »Ja?!« ließ ihn noch zaghafter eintreten. Er mochte diese Begegnungen mit seiner Mutter nicht. Sie war seit der Nachricht über den Tod seines Vaters vor drei Jahren nie wieder aus diesem Zimmer herausgetreten. Es war für sie ein Zeichen der Götter gewesen, dass sie genau in dem Moment von ihm geträumt hatte, als er auf den Grund des Nordmeeres gesunken war, eingehüllt in 40.000 Tonnen Eisen der königlichen Kriegsmarine. Seither vermutete sie seinen verschollenen Geist in jedem Knarren oder jedem Luftzug, den das Haus heimsuchte. Wie sie einen Mann so abgöttisch hatte lieben können, der sie nie wirklich beachtet hatte, entzog sich Roberts Kenntnis. Allerdings waren daraus drei Kinder entstanden, einschließlich ihm.
    Sie saß am Fenster. Ihr Haar war unordentlich, der lavendelfarbene Morgenrock ließ einen Blick auf ihren rechten, vom Ritzen blutigen Oberschenkel frei. Einer ihrer Füße steckte in einem Seemannsstiefel. Robert sah zum Bett, das zerwühlt und verschwitzt aussah. Die Luft war stickig, roch nach Verzweiflung und gemurmelten Worten. Er selbst träumte selten. Er war froh darüber. Träume waren etwas für Menschen ohne jedes Ziel.
    »Ich reise ab, Mutter.« Er sagte es so belanglos wie möglich.
    Sie winkte seine Worte beiseite, wie immer, wenn sie glaubte, die Geister der Unterwelt würden zu ihr sprechen. Dann hob sie ihre hohle Hand zum Ohr, ganz vertieft in die Klänge, die niemand

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