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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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Der Weg in die Finsternis
    New York. Heute
     
    Anevay schloss die Augen.
    Der alte Ford Gigant schleuderte hin und her, schrammte eine eiserne Laterne. Glasstücke schlitterten über die Windschutzscheibe. Funken stoben auf. Die Reifen quietschten, Licht wechselte zu Dunkelheit.
    »Bist du okay, A?« Ihr Vater schrie diese Frage über seine blutende Schulter. Sie konnte nicht antworten. Sie hatte Angst. A wollte nicht als letzte Erinnerung seinen panischen Blick in einem schmalen Rückspiegel sehen. Diese verzweifelte Ungewissheit. Ein tosender Regen prasselte auf das Wagendach. Der Motor vibrierte bis in ihr banges Herz. Alles war verloren. Jetzt. Genau hier.
    Sie war sechzehn Jahre alt und würde gleich aus einem fahrenden Auto springen. Die mechanische Verriegelung drehte sich summend um die eigene Achse, sprang hoch.
    »Bereit?!«
    Nein.
    Sie stieß mit einem Fuß die Tür auf. Regen drosch auf ihr ausgestrecktes Bein. Wind fauchte durch ihre Haare. Der Wagen war so schnell, so schnell.
    »Ich werde dich finden, A! LEBE! LEBE, mein Licht! … JETZT!«
    Sie sprang, fiel, harter Asphalt traf auf ein dünnes Nachthemd, ein metallischer Knall zersplitterte in der Nacht, Schmerz wirbelte von ihr fort, oder in sie hinein? Oben war unten, unten oben. Sie rollte in eine Gasse, inmitten von Mülltonnen. Lautes Scheppern stieg jäh in die Nacht.
    Sie taumelte hoch, fiel erneut. Nackte Füße in dreckigen Regenpfützen. Sie hielt ihre schmerzenden Rippen, starrte den verblassenden Rücklichtern nach und der ausgerissenen Tür, die sich noch immer, mitten auf der einsamen Straße, um sich selbst drehte und dabei schrammend immer leiser wurde. Sie blieb liegen.
    Anevay sollte ihren Vater nie wieder sehen.
     
    Viele Monate später sollte es erneut regnen und A hing mit bloßen Fingerspitzen an einem nassen Sims im achten Stock eines Gefängnisses. Sie hoffte darauf, dass die Kraft reichte, sie am Leben hielt.
    Und dass sie das geraunte Versprechen, das sie unter einer stinkenden Wolldecke gab, würde erfüllen können.
     
    Was aber zuerst geschah ...
     
    Grelle, schwankende Lichtstrahlen!
    Stimmen. Zwei.
    Schmerzen. Stiefelschritte im Regen.
    »Sieht aus wie eine aus den freien Territorien, oder was meinen Sie, Sir?«
    Lachen. Nicht aus dem Herzen, sondern aus der Kehle. Einer rauen Trinkerkehle.
    »Ich rufe mal einen Wagen!« Ein Zögern. Die Stimme klang fast zaghaft.
    Schritte gingen, die anderen kamen dafür näher, das Licht wurde heller. Gnadenloser.
    »Ja, mach das, du dämlicher Fatzke.« Die Worte waren genuschelt. Mehr auf den Boden gerichtet. Auf sie. A versuchte sich zu drehen, hob mühsam eine Hand vor die geblendeten Augen, musste husten.
    »Machst du auch nur einen Mucks, zieh ich dir den Stock über den Schädel!« 
    Sie erspähte eine dunkle Uniform, die bis zur Mitte der Oberschenkel reichte, verziert mit einer Zweierreihe goldener Knöpfe, auf denen jeweils ein Auge prangte, hohe Schaftstiefel, einen Vollbart, kleine Augen, die sich hinter etwas zu verstecken schienen. Und einen schwarz lackierten Knüppel in einer geballten Faust. Sie ließ sich zurücksinken. Dies waren die gefürchteten Polizisten der Ostküste. Man nannte sie auch Schwarzhüte.
    »A …«, krächzte sie.
    Der schmutzige Bart kam näher. Das Licht auch. Unter einem ledernen Stetson, aus dessen gewölbter Spitze der Regen auf den Asphalt sprudelte, schimmerten lange Koteletten, Blond mit Rot. Struppig. Wild.
    »Hä? Ist das etwa eine Sprache?« Die Stiefelspitze traf sie in den Bauch. Nicht hart, sie traf nur. »Ist das alles? Ihr Territories sollt doch so hart wie eure Scheißbäume sein, oder was?« Erneut ein Tritt. Härter nun, mit Ungeduld.
    Anevay nahm die Arme runter. ›Ergib dich!‹ Doch sie konnte nicht. Zuerst auf die Knie, dann auf die Hände. ›Steh´ auf, A!‹
    »Was habe ich gerade gesagt, du …« Der Stiefel zuckte vorwärts, A zuckte zurück. Doch der Schlag blieb aus.
    »Ein Wagen ist schon unterwegs.« Die andere Stimme war wieder da. Leise, aber sie war da.
    Ihr Vater hatte einmal seine Hand auf ihr kleines Herz gelegt und gesagt: »Dort drin ist etwas, das dich immer beschützen wird. Du musst es nur finden.«
    ›Ich habe es wirklich gesucht, Papa, immer wieder … es ist nicht da!‹
    »Steck doch endlich den Prügel weg, Sweeny. Ist doch noch ein Kind.« Der zaghafte Mann beugte sich vor. Der Hut hing halb zerdrückt in seiner Hand und er tippte damit nervös gegen sein Bein. »Hast Du einen Namen, Kleine,

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