Das Mädchen, der Koch und der Drache: Roman (German Edition)
brauchen, um meinen Vater aus dem Gefängnis zu holen.«
»Eine Stelle antreten? Bei wem? Ich denke, du gehst bald zur Bank?«
»Ja, aber da ist noch etwas anderes …«, sagt Mendy. »Es ist ein Job bei … Boss Hong.« Sie weint noch mehr und flüstert, er solle aufhören. Sie könne darüber nicht sprechen.
»Hat er dich so zugerichtet?« Tubai springt auf und greift nach seinen Kleidern. »Diese Bestie! Ich werde ihn zwingen, vor dir auf dem Boden zu knien!«
Mendy wischt sich heftig die Tränen ab, um Tubai klar sehen zu können. »Willst du mit Wachteleiern nach einem Stein werfen?«, fragt sie. »Boss Hong ist stark und brutal. Er hat nicht nur einen Leibwächter, sondern jede Menge weitere Handlanger. Du bist kein Gegner für ihn.«
»Lass das meine Sorge sein.«
Mendy greift nach der hölzernen Bürste, die er hat fallen lassen, und wirft sie nach seinem Kopf. »Ich brauche keinen dummen Draufgänger, sondern einen Mann mit Verstand. Wenn du Boss Hong jetzt herausforderst, richtest du nur Schaden an. Dann musst du wahrscheinlich aus Berlin verschwinden, und du wirst mich nie wiedersehen. Willst du das?«
Tubai starrt sie an. Bestürzung und Wut weichen aus seinem Gesicht. Er kniet sich vor das Bett und sagt: »Du hast recht. Ein echter Mann kann die Sache auch später regeln.«
Mendys Gesicht wird weich. Sie winkt ihn zu sich, berührt sein Gesicht und sagt: »Vielleicht wendet sich die Sache auch von allein zum Besseren. Geh jetzt zu meiner Stiefmutter!«
Da klingelt es auch schon an der Tür. Es klingelt und klingelt, als wolle es gar nicht aufhören. Mendy schickt Tubai zur Sprechanlage. Es ist Yeye, die vor der Haustür steht.
Mendy bittet Tubai, die Fenster zu öffnen und notdürftig aufzuräumen, ehe er aufmacht. Dann hört sie Yeye auch schon schimpfen: »Wie kannst du nur tagsüber schlafen wie ein totes Schwein? Du hast meinen Tag total durcheinandergebracht. Hier, Michael schreit schon lange nach dir. Geh mit ihm an die frische Luft!«
Mendy hört, wie Tubai sich die Jacke anzieht und mit dem Jungen die Treppe hinuntergeht. Dann platzt Yeye auch schon ins Zimmer. Als sie Mendy wie eine Kranke im Bett sitzen sieht, bleibt sie überrascht stehen. Doch ihre Verblüffung geht schnell in Verärgerung über.
»Aha, du bist also zu Hause! Ich habe mir die ganze Zeit Sorgen um dich gemacht und nach dir gesucht, und was tust du?! Du liegst im Bett wie eine Prinzessin. Was denkst du dir denn dabei?«
Mendy presst die Lippen zusammen und schweigt.
Daraufhin wird Yeye noch lauter, als wäre die Stieftochter schwerhörig. »Der Goldene Drache geht heutegar nicht ans Telefon. Du hast die Sache versaut, nicht wahr? Jetzt täuschst du vor, krank zu sein, damit ich Mitleid mit dir habe und dir keine Vorwürfe mache.«
Sie mustert die Stieftochter eingehend, sucht nach den Spuren der Nacht. »Du hast dich selbst in die Lippen gebissen. Gib’s zu.«
Mendy keucht, sagt aber nichts. Das macht die Stiefmutter noch wütender als zuvor. Mendy sei eine unnütze Tochter, eine herzlose, ausgetrocknete Öllampe. Nicht einmal ihren Vater wolle sie retten, keift sie.
Mendy lässt sie toben. Mit ihrer heißen, gebrochenen Stimme kann sie sich ohnehin kein Gehör verschaffen. Erst als Yeye zu husten beginnt und sich eine Pause gönnt, sagt sie mit gepresster Stimme: »Boss Hong hat mich vergewaltigt.«
Yeye macht eine Geste, als wolle sie den schiefen Himmel zurechtrücken. »Wie ist denn das möglich? Der Goldene Drache ist doch charmant. Frauen schwärmen von ihm. Er hat es nicht nötig, Gewalt anzuwenden. Bist du dir sicher? Du hast nicht viel Erfahrung mit Männern, nicht wahr?«
Aber Mendy weint nur stumm. Yeye versucht, sie zu trösten. »Es war sicher nur deine Jugend und Unerfahrenheit, was Boss Hong so gereizt hat«, sagt sie, setzt sich an den Bettrand und legt Mendy den Arm um die Schultern. Diese schüttelt sich, als hätte eine Ratte sie angesprungen.
Als die fremde Hand sich nicht zurückzieht, streift sie die Stiefmutter mit der Begründung ab: »Meine Haut kann momentan keine Berührung ertragen.Sonst wird mir schlecht.« Sie würgt.
Yeye zeigt ein wütendes Gesicht. Sie werde zu Boss Hong gehen und ihn zur Rechenschaft ziehen. Aber dafür müsse sie von Mendy Einzelheiten über den Hergang der »Sache« erfahren. Doch die junge Frau sagt nur: »Der Goldene Drache wird uns kein leichtes Geld leihen. Er will so viel aus uns rausholen, wie er nur kann. Geh lieber nicht hin.«
Sie presst die
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