Das Mädchen, der Koch und der Drache: Roman (German Edition)
Öffnungszeiten. Wenn du die Strahlende Perle ein Jahr lang gut führst und wenn du mich bis dahin immernoch lieb hast, heiraten wir noch einmal. Und wir werden so prächtig feiern, dass sich ein lachendes Meer um uns bildet.«
»Und was ist, wenn ich keinen Erfolg habe?«
»Dann wird mein Vater uns beide rausschmeißen, und wir müssen flüchten, um nicht seine Wutanfälle ertragen zu müssen«, sagt Mendy kichernd. »Dann können wir uns nur eine Mäusehochzeit leisten.«
»Weißt du was? Nächstes Jahr wird das Meer schäumen!« Tubais Augen beginnen zu leuchten.
»Bist du dir sicher?«
»Mäusesicher!« Er zieht Mendy aus dem Licht der Straßenlaternen ins Dunkel und schließt ihren Mund mit einem innigen Kuss, der sie beinahe erstickt.
Epilog
Nach der Feier packt Oswald seine Gitarre ein und macht sich auf den Heimweg. Um sich abzukühlen, wählt er die bewährte Methode, zu Fuß nach Hause zu gehen.
Es ist kurz nach Mitternacht. Auf der Straße sind kaum Menschen unterwegs. Die Luft riecht feucht und frisch. Oswald mag diese nächtliche Leere. Er braucht einen klaren Kopf. Denn er hat sich heute Abend von Neuem gewaltig in Mendy verliebt.
Eine kühle Brise umschmeichelt ihn, und eine neue Melodie fällt ihm ein: Tam, ta, tatam, ta … Es ist, als hätte man ihm an einem heißen Sommertag ein Glas frisches Wasser gereicht. Er ahnt nicht, dass ihn der Himmelspförtner zum Lieblingsspielzeug erkoren hat und ihn mit himmlischen Gaben beschenkt.
Heute ist hier oben ein heißer Tag. Der Diensthabende sitzt vor dem Himmelstor und fächelt sich frische Luft zu. Als er das langhaarige Männlein mit der Gitarre da unten entdeckt, wedelt er vor Freude so heftig mit dem Fächer wie ein Hund mit dem Schwanz.
Dass er damit Ideen, Träume, Melodien und Lieder erzeugt, ahnt der dumme Riese natürlich nicht. Man muss aber wissen, dass der Fächer des Himmelspförtners kein irdischer Gegenstand ist. Seine Streifen werden aus Himmelsbäumen geschnitten und mit einer Windschnur zusammengehalten. Paradiesblumen wachsen aus jedem Streifen, die mit himmlischemNektar gefüllt sind, der Musiker, Dichter und Maler ernährt. Nicht nur sein Anblick, sondern auch seine Wirkung ist himmlisch. Bekommt ein Irdischer nur einen einzigen Hauch dieses Fächers zu spüren, wird alle Müdigkeit weggefegt. Beim zweiten Hauch kann er sich von der Erde erheben und das Flüstern der Steine verstehen. Beim dritten fühlt er sich so stark, dass er glaubt, sich und anderen jeden Wunsch erfüllen zu können. Ja, für einen kurzen Moment fühlt der Mensch sich zum Halbgott erhoben.
Auch für Oswald ist der Himmelswind eine einzige Inspiration. Wie auf Flügeln schwebt er durch die Stadt und träumt davon, Mendy wieder für die Musik und für sich zu gewinnen.
Eben war er noch bekümmert und bedrückt, jetzt tänzelt er durch die Straßen. Doch als er zur Spree kommt, weht ihm ein kalter Wind von der Wasseroberfläche entgegen, und Nüchternheit überkommt ihn. Einem leeren Bohnensack gleich hängt er am Geländer und starrt in den schwarz glänzenden Fluss. Seine Gedanken kreisen noch immer um Mendy, um ihr musikalisches Talent, mit dem sie das Publikum im Handumdrehen verzaubern kann.
Wie kann er Mendys Liebe zur Musik bloß wieder entfachen? Heute Abend hat sie nur von der Bank, von der Neueröffnung des Restaurants und von Schulden geredet. Aber dann hat sie so herrlich gesungen, dass es ihm fast das Herz im Leibe zerrissen hat. Er weiß doch, dass sie ein großes Talent ist, die wahrhaft Strahlende Perle !
Der Himmelspförtner hört Oswald seufzen, siehtihn am Ufer stehen wie ein zerknitterter Luftballon und fragt sich, was wohl mit ihm los ist. Um ihn aufzuheitern, fächelt er ihm noch einmal Himmelsluft zu.
Und siehe da: Oswald spitzt auf einmal die Ohren. Hört er die Glöckchen einer Karawane, die im Sonnenuntergang auf ihn zukommt? Oder rascheln die Sterne bei ihren wilden Drehungen? Er hebt den Kopf, hält das Gesicht gen Himmel gerichtet und wartet. Aber augenblicklich steht die Luft still. Der himmlische Hauch ist verschwunden.
Der Himmelspförtner ist hocherfreut über die ehrfürchtige Haltung des Männleins. Er weiß, dass es verboten ist, einem Menschen auf dem Planeten Erde dreimal mit dem Fächer zu winken. Doch sein Männlein gefällt ihm so sehr, dass er das Verbot ein Mal brechen will. Um nicht erwischt zu werden, schleicht er sich aus seinem Wächterhäuschen und schlendert ein Stückchen in Richtung Erde hinunter.
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