Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange
schon verschwunden.
Die Musik wurde klarer, so als würde sie durch eine offene Tür herangeweht. Averil schloss die Augen und trat blind nach vorn.
Sie durchquerte einen kalten Nebel und trat in Licht und Wärme und in ein Pfeifkonzert aus Dudelsäcken.
Hier war Sommer. Es schien immer Sommer zu sein in den Wildländern, wo auch immer sie sich befanden. Sie stand auf einem Rasen, inmitten hoher silberner Baumstämme. Überall um sie herum tanzten Wildvolkwesen, schnell, schwerelos und wild.
Es war äußerst sonderbar, die Spange ihres Umhangs zu lösen und den Schnee darauf zu sehen, der langsam dahin schmolz. Riquier schritt voran; sie faltete den Umhang zu einem Bündel, klemmte es unter den Arm und eilte ihm nach. Der Weg, den er wählte, führte durch den Tanz, ohne die Tänzer auch nur zu streifen. Die meisten schienen ihre Anwesenheit nicht wahrzunehmen, aber einige fingen ihren Blick auf und verbeugten sich tief.
Auf der anderen Seite des Kreises standen drei hohe Stühle Seite an Seite auf einem Hügel. Der Linke bestand aus Stechpalme und Lorbeer; darauf saß die Königin von Prydain. Neben ihr in der Mitte befand sich ein massiver, reich verzierter Thron aus Holz: glattes graues Eschenholz mit Eichblättern und Eicheln und Heckenrosenblüten geschmückt. Derjenige, der darauf saß, war größer als die meisten sterblichen Männer, mit glatter brauner Haut und königlicher Arroganz; sein Kopf und seine Füße waren die eines Hirschbocks, die Krone seines Geweihs war gewaltiger als Averils ausgebreitete Arme.
Der dritte Thron zur Rechten war leer. Er war aus weißen Lilien und roten, weißen und goldenen Rosen gewirkt.
Gereint stand vor den Thronen. Die Ritter Owain und Mauritius befanden sich hinter ihm, ebenso, wie Averil mit Interesse feststellte, Dylan Fawr und der junge Edelknabe Fourchard sowie Peredur, was sie keineswegs überraschte. Es war eine königliche und edle Versammlung. Gereint wirkte keineswegs fehl am Platze. Er hielt den Kopf hoch und sprach mit klarer Stimme. »Ja, ich wollte, dass der König von Lys den Tod findet. Wenn das Mord ist, werde ich ihn gestehen. Ich ziehe es vor, seinen Tod als eine gerechte Hinrichtung zu betrachten.«
»Du hast keine Magie eingesetzt«, sagte der gehörnte König. Seine Stimme war so tief wie rollende Steine, dennoch schwang eine kräftige Melodie darin mit. »Du hast einfach nur … um etwas gebeten.«
»Ja«, sagte Gereint. »Habe ich falsch gehandelt?«
»Nein«, entgegnete der gehörnte König. »Es war nichts Falsches. Nur etwas Unerwartetes.«
»Sollten wir immer das tun, was erwartet wird?«
Das Gesicht des Hirsches konnte keine Gefühle ausdrücken wie das eines Menschen, aber die dunklen Augen funkelten. »Sicherlich nicht, edler Herr.« »Ich bin kein edler Herr«, sagte Gereint. »Ich habe keinerlei adlige Vorfahren.«
»Nein?«, sagte der gehörnte König. »Und warum hat der große Wurm dir dann gehorcht?«
»Weil ich ihn gebeten habe«, erwiderte Gereint. »Alle anderen haben versucht, ihm Befehle zu geben. Das hat ihn nur wütend gemacht. Er brauchte nur die Möglichkeit, sich zu weigern.«
»Und wenn er sich geweigert hätte?«
»Er tat es nicht.«
Der gehörnte König erkannte die Wahrheit dieser Worte an, indem er die Hand hob. Eiluned lächelte. Es schien, als würde sie Gereint erfrischend finden - und interessant.
Es war ein sonderbares Gefühl, zu sehen, wie eine andere Frau Gereint betrachtete. Averil war sich nicht sicher, ob es ihr gefiel. Hübsch war er nicht, doch er besaß eine kraftvolle Schönheit, die an ein großes, glänzendes Schlachtross erinnerte.
Er hätte ihr nicht geglaubt, wenn sie ihn als schön bezeichnet hätte. Sie sei es, die schön war, hätte er gesagt.
In diesem Moment dachte er nicht an so etwas. Seine Unsicherheit gegenüber königlichen Gesprächspartnern war verflogen, vielleicht hatte der Wurm sie verschluckt oder sie war durch die Magie dieses Ortes verloren gegangen. »Mein Gebieter, verehrte Herrin, wenn ich zum Tode verurteilt werden soll, kann ich nicht meine Unschuld beteuern. Ich habe den Tod eines Königs verursacht. Ich werde jegliche Strafe, die darauf steht, auf mich nehmen, aber ich bereue es nicht. Die Welt ist ohne ihn besser dran.«
»Daran haben wir keinen Zweifel«, sagte Eiluned. »Zusammen mit deinen Verbündeten hast du uns einen großen Dienst erwiesen. Sie stellten dir all ihr Wissen zur Verfügung, du jedoch hattest die Kraft und trafst die richtigen
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