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Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
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lauter. »Captain Ashford!«
    Bei diesen Worten drehte er sich um und suchte, die Stirn überrascht in Falten gelegt, die Menschenmenge nach dem Besitzer der Stimme ab. Auch seine Begleiter wandten die Köpfe und betrachteten die Gesichter der Umstehenden. Doch Julian bemerkte mich zuerst. Den Kopf zur Seite geneigt und reglos, beobachtete er neugierig, wie ich näher kam.
    Er hatte nicht den Hauch einer Ahnung, wer ich war.
    Obwohl ich mir gesagt hatte, dass ich damit rechnen musste, erschreckte mich der Anblick seines verwirrten Gesichts, in dem nicht die leiseste Spur des Erkennens festzustellen war. Ich war eine Fremde für ihn.
    »Captain Ashford«, wiederholte ich und versuchte, nicht auf meine Trauer zu achten, nicht auf seine Schönheit, seine Anziehungskraft und die übermächtige Liebe, die ich für ihn empfand. »Haben Sie einen Moment Zeit?«
    Er setzte zu einer Antwort oder einer Bitte um weitere Aufklärung an, doch schon kurz darauf verwandelte sich sein Argwohn in Besorgnis. »Madam«, fragte er, »ist alles in Ordnung?«
    »Ja, bestens«, entgegnete ich ungeduldig, aber noch während mir die Worte über die Lippen kamen, spürte ich, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich. Ich hatte ein Klingeln in den Ohren, und mir wurden die Knie weich. Nicht in Ohnmacht fallen, dachte ich in heller Angst. Nicht in Ohnmacht fallen. Aber da kippte ich bereits nach vorne.
    Direkt in seine Arme.

1
    New York, Dezember 2007
    A m Morgen des Tages, an dem ich Julian Ashford kennenlernen sollte, wachte ich atemlos auf, aus dem Schlaf gerissen von einem quälend lebensechten Traum, an den ich mich nicht vollständig erinnern konnte.
    Da ich damals keinen Anlass hatte, an etwas anderes als das Konkrete und zeitlich Nachvollziehbare zu glauben, schob ich es auf mein Lampenfieber. Ich hatte vor wichtigen geschäftlichen Besprechungen häufig Alpträume, vorausgesetzt, dass mir das Glück des Einschlafens überhaupt vergönnt war. Die meisten zeugten nicht von sonderlich viel Phantasie: Ich drohte morgens zu spät zu kommen und stellte fest, dass sich alles nur im Zeitlupentempo bewegte. Oder ich mühte mich mit der Hauptrolle in einem Theaterstück ab, das ich noch nie zuvor geprobt hatte. Selbstverständlich nackt.
    Dieser Traum hingegen war anders, nicht vom Lampenfieber geprägt, sondern von einer Art Todesangst, so schmerzlich, dass es schon beinahe angenehm war. Ich hatte mit einem anderen Menschen gesprochen – nein, einem Mann. Jemandem, dem ich wichtig war, jemandem, dem ich etwas bedeutete. Ich hatte versucht ihm etwas Dringendes, ja, Überlebensnotwendiges klarzumachen, aber er hatte mich nicht verstanden.
    Um Einzelheiten ringend, kniff ich die Augen zu. Das schnelle, beharrliche Pochen meines Herzens prallte heftig gegen mein Trommelfell. Wer war er? Nicht mein Vater, kein Freund oder Kollege. Niemand, den ich kannte. Die Erinnerung an ihn verblasste bereits, so dass ich, verlassen wie eine Schiffbrüchige, zurückblieb.
    Ich schlug die Augen auf, starrte kurz an die Decke und schleuderte schließlich das Federbett beiseite. Dann duschte ich und flüchtete mich ins Büro, doch die Vorahnung hielt sich und umklammerte mein Gehirn wie eine Schraubzwinge, selbst als ich an der Haltestelle Broadway und Wallstreet aus der U-Bahn ans Tageslicht stürmte und den gewaltigen, von der Sonne erleuchteten Phallus des Sterling-Bates-Büroturms hinaufhastete, wo Alicia Boxer mich schon in der fünfundzwanzigsten Etage erwartete.
    Alicia war Frühaufsteherin, ihr einziger Pluspunkt.
    »Was soll die Scheiße, Kate?«, fragte sie, ihre Art, mich zu begrüßen. »Woher zum Teufel haben Sie diese Gewinnerwartungszahlen? Neunzehn Prozent im fünften Jahr?«
    Inmitten von Holzvertäfelungen und Bambusrollos und beschienen von einem indirekten Dämmerlicht, thronte Alicia am anderen Ende des besten Konferenzraums der Bank – ein eleganter Kontrast zu der nach dem Motto »amerikanische Büromoderne« mit Arbeitswaben ausgestatteten Abteilung Kapitalmärkte ein Stockwerk unter uns, wo ich auf meiner Tour durch das Unternehmen derzeit eingesetzt war. Vor Alicia auf dem Mahagonitisch stapelten sich die Präsentationsmappen für die heutige Sitzung. Ihr großer feiertagsroter Becher von Starbucks stand gefährlich dicht daneben und verströmte den Duft von Milchkaffee mit Vanillearoma.
    Ich ließ mich auf dem freien Stuhl rechts von ihr nieder und versuchte meine noch immer durcheinanderwirbelnden Gedanken zu ordnen. »Ich dachte, Sie

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