Das Merkbuch
jüdische Wohnungen und Geschäfte und misshandeln Juden, die ihnen in die Hände fallen. Am 9. November 1989 fällt die Berliner Mauer, die seit 1961 BRD und DDR substanziell trennte und die Vater und seinesgleichen in einer Art Traumlogik als Garant dafür erschien, dass der Expansionsdrang, die Gewalttätigkeit und die Mordlust Deutschlands erfolgreich gebannt wäre. Am 26. November 1989 wäre Vater 96 Jahre alt geworden.
Von Philippsthal pflegte Mutter in ihrer schweifenden Art zu erzählen, dass im Zweiten Weltkrieg mehrere Millionen Bücher aus der Berliner Staatsbibliothek in den Schachtanlagen des Kalibergwerks Hattorf, das Philippsthal seit 1905 in einen Industriestandort verwandelte, überdauerten.
Die Bücher, immer wieder die Bücher.
Aber es geht um ganz verschiedenartige Bücher. Es geht um die Bücher, die Mutter und Sohn lasen – und manchmal auch Vater –, die Bücher von Thomas Mann, von Paul Sethe, von Freder van Holk. Und die Bücher, die Vater in seinem Berufsleben prüfte, die Bücher von Röhm & Haas, von Stromeyer, die Bücher der Spinnfaser. Weder Mutter noch Sohn bekamen sie je zu sehen; der Sohn bekam nur diese Formel zu hören, wenn er nach der Berufsarbeit von Vater fragte: Vater prüft die Bücher. Immer anderswo. So konnte er sich nie ein Bild davon machen, was das heißt, die Bücher prüfen.
Und dann gibt es diese Büchlein, diese Miniaturbibliothek, die Notizkalender aus dem Geheimfach des Schreibsekretärs. Und eines Tages passte das alles zusammen.
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