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Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen

Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen

Titel: Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
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das nicht!
    Großartige Ideen, die wir bewundern, sind im Nachhinein vollkommen genial. Das spüren wir deutlich und bewundern Ideen in unangemessener Weise. Wir haben vergessen, dass wir dieselben Ideen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung und Ausbreitung verrückt oder schlicht »doof« fanden.
    Stellen Sie sich vor, jemand hatte als Erster die Idee, eine Waschmaschine, einen Geschirrspüler, einen Trockenrasierer oder ein Mobiltelefon zu bauen und an alle Leute zu verkaufen. Das ist solch ein großes bewunderungswürdiges Genie, denken Sie sich, das seiner Zeit weit voraus war und uns diese Wohltaten der Menschheit schenkte. Leider haben Sie vergessen, was wir alle damals von solchen Erfindungen hielten – nämlich gar nicht viel oder nichts. Wir sahen zuerst die offensichtlichen Nachteile.
    Die Wäsche wurde ewig nicht weiß genug, sie hatte »Grauschleier«. Generationen von Waschmittelreklamen versuchten, uns in Werbeschlachten vom Gegenteil zu überzeugen. Alle paar Monate wurde die Wäsche noch 10 Prozent weißer – man müsste einmal die Prozente über die Jahrzehnte zusammenzählen und würde feststellen, dass heute alles um einige 1 000 Prozent weißer wird als damals am Anfang. Die Wäsche lief außerdem zum Teil ein, andere Wäsche leierte aus – immer gerade, wie man es nicht brauchte: Zu kurze Hosen liefen ein, zu lange wurden länger. Das sahen die Oberbekleidungsverkäuferinnenmeist anders. Wenn die Hose bei der Anprobe zu kurz war, prognostizierten sie ein Ausleiern, bei zu langen Hosen das passgenaue Einlaufen. Damit nicht genug: Die Waschmittel passten nicht, sie waren zu mild oder zu scharf, die Stoffe waren nicht an Waschmaschinen angepasst und verfärbten alles andere, sodass die Wäsche oft einen rosa Schimmer bekam. Die Textilindustrie reagierte mit neuen Stoffen, entwickelte bügelfreie Konzepte, die Deodorantindustrie erfand Maßnahmen gegen feuchte Nylonachselhöhlen, die Waschmittelindustrie erfand Waschmittel für alles und jedes Stoffteil, die Waschmaschinen wurden technisch besser, mussten aber noch lange oft repariert werden – wie einstmals die Autos auch. Deshalb lehnte eine wirklich gute Hausfrau die Waschmaschine noch lange ab, sie wusch blütenreines Weiß für den Bürogatten und triumphierte über die faulen Maschinenehefrauen, die sich einen lauen Lenz machten und selbst verwirklichen wollten. Haben Sie denn ganz vergessen, wie es wirklich war?
    Wir sind gegen die Waschmaschinen Sturm gelaufen, wir wollten sie nicht, wir waren gegen die fortschreitende Technisierung unseres Alltags. Wir hielten diese Idee keineswegs für genial!
    Na, irgendwann haben wir uns daran gewöhnt. Dann erfand man den Trockner gegen die Wäscheleine. Wieder erhob sich ein Sturm! Wäsche muss in der frischen Aprilluft trocknen, sie duftet so fein! Trockner kosten viel Strom, die Sonne ist umsonst. Die Wäsche wird nach dem schon erwähnten Feindschaftsprinzip der Technik wieder länger, wenn sie zu lang ist, und kürzer, wenn sie zu kurz ist. Alles musste nun trocknergerecht werden. Die Stoffe wurden neu erfunden, die Aprilfrische chemisch zugefügt … Dann kam der Geschirrspüler. Das teure Erbglas wurde milchig und musste verloren gegeben werden. Die Teller hatten harte Ei-Narben und Soßenverkrustungen, das Spülmittel schien hoch giftig zu sein. Das Geschirr passte nicht gut hinein, vieles durfte nicht hinein und musste mit der Hand gespült werden, kleine Haushalte sammelten eine Woche sparsam Geschirr und stellten die Maschine an, wenn es faktisch steinhart fleckig war. Nun wusch man vorher vor … Es war ein Drama, bis alles endlich funktionierte.
    Und so weiter! Die Trockenrasierer waren zuerst so schlecht, dass der deutsche Mann schon mittags wieder wie frisch aus dem Urlaub gekommen zu sein schien, die gute Ehefrau entließ ihn nur nass rasiertund damit glatt zur Arbeit. Mobiltelefone hatten am Anfang kaum Empfang, die Batterie war immer gleich leer, die Gespräche waren unanständig teuer, sodass sich nur Protze in Restaurants oder in Zügen damit wichtigmachten.
    Alle guten Ideen, auch die Computer, die Smartphones, die Tablets und Viagras, die Leggins, die Navis – standen ausnahmslos unter größter Kritik und brauchten lange Zeit, um einen festen Platz in unserem Leben zu erobern. Diese Ideen verformten sich während dieser Zeit, wurden besser, entwickelten sich und veränderten die sie umgebende Infrastruktur so lange, bis sich die Idee »eingebürgert« hatte. Dieses Einbürgern wird

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