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Das Parfum: die Geschichte eines Mörders

Das Parfum: die Geschichte eines Mörders

Titel: Das Parfum: die Geschichte eines Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Süskind
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seiner stand der kalte scharfe Ziegenstallgeruch im Raum.
    Grenouille schrak auf. «Was ist», so dachte er, «wenn dieser Duft, den ich besitzen werde... was ist, wenn er zu Ende geht? Es ist nicht wie in der Erinnerung, wo alle Düfte unvergänglich sind. Der wirkliche verbraucht sich an die Welt. Er ist flüchtig. Und wenn er aufgebraucht sein wird, dann wird es die Quelle, aus der ich ihn genommen habe, nicht mehr geben. Und ich werde nackt sein wie zuvor und mir mit meinen Surrogaten weiterhelfen müssen. Nein, schlimmer wird es sein als zuvor! Denn ich werde ja inzwischen ihn gekannt und besessen haben, meinen eigenen herrlichen Duft, und ich werde ihn nicht vergessen können, denn ich vergesse nie einen Duft. Und also werde ich zeitlebens von meiner Erinnerung an ihn zehren, wie ich schon jetzt, für einen Moment, aus meiner Vorerinnerung an ihn, den ich besitzen werde, gezehrt habe... Wozu also brauche ich ihn überhaupt?»
    Dieser Gedanke war Grenouille äußerst unangenehm. Es erschreckte ihn maßlos, dass er den Duft, den er noch nicht besaß, wenn er ihn besäße, unweigerlich wieder verlieren musste. Wie lange würde er vorhalten? Einige Tage? Ein paar Wochen? Vielleicht einen Monat lang, wenn er sich ganz sparsam damit parfumierte? Und dann? Er sah sich schon den letzten Tropfen aus der Flasche schütteln, den Flakon mit Weingeist spülen, damit auch nicht der kleinste Rest verlorenginge, und sah dann, roch es, wie sich sein geliebter Duft für immer und unwiederbringlich verflüchtigte. Es würde sein wie ein langsames Sterben, eine Art umgekehrten Erstickens, ein qualvolles allmähliches
    Hinausverdunsten seiner selbst in die gräßliche Welt.
    Er fröstelte. Es überkam ihn das Verlangen, seine Pläne aufzugeben, hinaus in die Nacht zu gehen und davonzuziehen. Über die verschneiten Berge wollte er wandern, ohne Rast, hundert Meilen weit in die Auvergne, und dort in seine alte Höhle kriechen und sich zutode schlafen. Aber er tat es nicht. Er blieb sitzen und gab dem Verlangen nicht nach, obwohl es stark war. Er gab ihm nicht nach, weil es ein altes Verlangen von ihm war, davonzuziehen und sich in einer Höhle zu verkriechen. Erkannte das schon. Was er allerdings noch nicht kannte, war der Besitz eines menschlichen Duftes, so herrlich wie der Duft des Mädchens hinter der Mauer. Und wenn er auch wusste, dass er den Besitz dieses Duftes mit seinem anschließenden Verlust würde entsetzlich teuer bezahlen müssen, so schienen ihm doch Besitz und Verlust begehrenswerter als der lapidare Verzicht auf beides. Denn verzichtet hatte er Zeit seines Lebens. Besessen und verloren aber noch nie.
    Allmählich wichen die Zweifel und mit ihnen das Frösteln. Er spürte, wie das warme Blut ihn wieder belebte und wie der Wille, das zu tun, was er sich vorgenommen hatte, wieder Besitz von ihm ergriff. Und zwar mächtiger als zuvor, da dieser Wille nun nicht mehr einer reinen Begierde entsprang, sondern dazu noch einem erwogenen Entschluss. Der Zeck Grenouille, vor die Wahl gestellt, in sich selbst zu vertrocknen oder sich fallenzulassen, entschied sich für das zweite, wohl wissend, dass dieser Fall sein letzter sein würde. Er legte sich aufs Lager zurück, wohlig ins Stroh, wohlig unter die Decke, und kam sich sehr heroisch vor.
    Grenouille wäre aber nicht Grenouille gewesen, wenn ihn ein fatalistisch-heroisches Gefühl lange befriedigt hätte. Dazu besaß er einen zu zähen Selbstbehauptungswillen, ein zu durchtriebenes Wesen und einen zu raffinierten Geist. Gut – er hatte sich entschlossen, jenen Duft des Mädchens hinter der Mauer zu besitzen. Und wenn er ihn nach wenigen Wochen wieder verlöre und an dem Verlust stürbe, so sollte auch das gut sein. Besser aber wäre es, nicht zu sterben und den Duft trotzdem zu besitzen, oder zumindest seinen Verlust so lange als irgend möglich hinauszuzögern. Man müsste ihn haltbarer machen. Man müsste seine Flüchtigkeit bannen, ohne ihm seinen Charakter zu rauben – ein parfumistisches Problem.
    Es gibt Düfte, die haften jahrzehntelang. Ein mit Moschus eingeriebener Schrank, ein mit Zimtöl getränktes Stück Leder, eine Amberknolle, ein Kästchen aus Zedernholz besitzen geruchlich fast das ewige Leben. Und andere – Limettenöl, Bergamotte, Narzissen-und Tuberosenextrakte und viele Blütendüfte verhauchen sich schon nach wenigen Stunden, wenn man sie rein und ungebunden der Luft aussetzt. Der Parfumeur begegnet diesem fatalen Umstand, indem er die allzu

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