Das Rad der Zeit 13. Das Original: Mitternachtstürme (German Edition)
man würde ihn als Feldgeneral für die Letzte Schlacht brauchen.
Bryne war draußen bei seinen Männern; es war so gut wie unmöglich, Quartier und Verpflegung für fünfzigtausend Soldaten zu finden. Sie hatte ihn benachrichtigt und fühlte ihn näher kommen. So ein sturer Holzklotz der Mann auch war, Siuan ahnte, dass es erfreulich sein würde, seine Unerschütterlichkeit jetzt an ihrer Seite zu wissen. Der Wiedergeborene Drache? In Tar Valon?
»Eigentlich ist es gar nicht überraschend, dass er so weit gekommen ist, Siuan«, sagte Saerin. Die Braune mit der olivfarbenen Haut war gerade bei Siuan gewesen, als der Hauptmann völlig blass an ihnen vorbeigerannt war. Saerins Schläfen waren grau, bei einer Aes Sedai ein Zeichen für Alter, und sie trug eine Narbe auf der Wange, deren Ursprung Siuan ihr nie hatte entlocken können.
»Jeden Tag strömen Hunderte Flüchtlinge in die Stadt«, fuhr Saerin fort, »und jeden Mann, der auch nur halbwegs kämpfen will, schickt man zur Rekrutierungsstelle der Burgwache. Es ist kein Wunder, dass niemand al’Thor aufgehalten hat.«
Chubain nickte. »Er stand einfach vor dem Sonnenaufgangstor, bevor ihn jemand ansprach. Und dann sagte er … nun, er behauptete einfach, er sei der Wiedergeborene Drache und wolle die Amyrlin sehen. Brüllte nicht herum oder dergleichen, sagte es ruhig wie ein Frühlingsregen.«
Die Korridore der Burg waren belebt, auch wenn die meisten der Frauen nicht zu wissen schienen, was sie tun sollten und in alle Richtungen schossen wie Fische in einem Netz.
Hör auf damit, rief sich Siuan zur Ordnung. Er hat unseren Machtsitz betreten. Er ist es, der sich im Netz verfangen hat.
»Was hat er vor, was glaubt Ihr?«, fragte Saerin.
»Soll man mich zu Asche verbrennen, wenn ich das weiß«, erwiderte Siuan. »Mittlerweile muss er so gut wie verrückt sein. Vielleicht hat er ja Angst und ist gekommen, um sich zu ergeben.«
»Das bezweifle ich.«
»Ich auch«, gab Siuan widerstrebend zu. Während der letzten paar Tage hatte sie zu ihrem Erstaunen herausgefunden, dass sie Saerin doch tatsächlich mochte . Als Amyrlin hatte Siuan keine Zeit für Freundschaften gehabt; es war viel wichtiger gewesen, die Ajahs gegeneinander auszuspielen. Sie hatte Saerin für stur und ein Hindernis gehalten. Jetzt, wo sie nicht mehr so oft zusammenstießen, fand sie diese Eigenschaften erfrischend.
»Vielleicht hat er gehört, dass Elaida weg ist«, meinte Siuan, »und glaubt hier sicher zu sein, wo doch eine alte Freundin auf dem Amyrlin-Sitz sitzt.«
»Das passt nicht zu dem, was ich über den Jungen gelesen habe«, erwiderte Saerin. »Berichte bezeichnen ihn als misstrauisch und unberechenbar, mit einem fordernden Temperament und der Eigenschaft, die Aes Sedai beharrlich zu meiden.«
Das hatte auch Siuan gehört, auch wenn es mittlerweile zwei Jahre her war, dass sie den Jungen das letzte Mal gesehen hatte. Tatsächlich war sie bei ihrer letzten Begegnung die Amyrlin gewesen und er ein einfacher Schafhirte. Das meiste, was sie seitdem über ihn erfahren hatte, war von den Augen-und-Ohren der Blauen Ajah gekommen. Man brauchte schon viel Geschick, um die Spekulationen von der Wahrheit zu trennen, aber die meisten hatten die gleiche Meinung über al’Thor. Launisch, misstrauisch, arrogant. Soll doch das Licht Elaida verbrennen!, dachte Siuan. Wäre sie nicht gewesen, hätten wir ihn schon vor langer Zeit in der Obhut der Aes Sedai gehabt.
Sie stiegen drei spiralenförmige Rampen hinauf und betraten einen weiteren der weiß gestrichenen Korridore der Weißen Burg und näherten sich dem Saal der Burg. Wenn die Amyrlin den Wiedergeborenen Drachen empfangen würde, dann dort. Zwei Abzweigungen später – vorbei an verspiegelten Kandelabern und eindrucksvollen Wandteppichen – betraten sie den letzten Korridor und erstarrten.
Die Bodenfliesen hatten die Farbe von Blut. Das konnte nicht sein. Sie hätten weiß und gelb sein müssen. Die hier glitzerten, als wären sie feucht.
Chubain atmete tief ein und griff nach dem Schwert. Saerin hob eine Braue. Siuan war geneigt, einfach weiterzugehen, aber die Stellen, an denen der Dunkle König die Welt berührt hatte, konnten gefährlich sein. Möglicherweise versank sie im Boden oder wurde von den Wandteppichen angegriffen.
Die beiden Aes Sedai drehten um und gingen in die andere Richtung. Chubain zögerte einen Moment, dann eilte er ihnen hinterher. Seine Anspannung war ihm mühelos anzusehen. Zuerst hatten die Seanchaner
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