Sternenfaust - 163 - Turanors Entscheidung
Keuchend erklomm Absaara die Stiegen zum Gastraum des Fremden.
Die Alendei war in einem Alter, in dem ihr das Teleportieren allmählich leichter fiel als das Gehen. Vor allem fiel es ihr leichter, als das Treppensteigen. Dennoch hatte sie sich angewöhnt, die kurzen Wege, die sie in ihrer Pension zurückzulegen hatte, zu Fuß zu bewältigen. Es war wichtig, um beweglich zu bleiben. Zumindest war es das, was die Ärzte sagten.
So nahm sie Stufe um Stufe, während sie das Tablett mit der warmen Mahlzeit nach oben trug.
Unter der Isolierhaube warteten nicht nur Salat und Gemüse darauf, den Fremden zu stärken, sondern auch ein proteinhaltiger, gut gewürzter Hasapa-Brei. Die schwarze Hasapa-Bohne war sehr verbreitet auf Inyaan, und bereits vor Tausenden von Jahren, als die Alendei diesen Planeten kolonialisiert hatten, war sie zum Grundnahrungsmittel geworden.
Zwar hatte Rotunar – so der Name des Fremden – wie gewöhnlich um eine karge Mahlzeit gebeten, doch Absaara hatte es sich nicht nehmen lassen, eine ordentliche Portion Hasapa-Brei auf den Teller zu häufen.
Endlich erreichte Absaara den Treppenabsatz und bog in den kurzen Gang ein, der zum Zimmer des Fremden führte. Sie befürchtete, dass Rotunar den stärkenden Brei wieder unberührt lassen würde, so wie er das meistens tat. Tatsächlich war der Fremde in den vielen Tagen, die er hier schon logierte, magerer geworden. In gewisser Weise fühlte sich Absaara deshalb gekränkt, denn sie war eine gute Köchin, und keiner ihrer Gäste hatte sich jemals über ihr Essen beschwert. Dies konnte sie zwar auch von Rotunar nicht behaupten, doch offensichtlich vermochte es ihre Kochkunst nicht, den Appetit des Fremden zu wecken. Aber vielleicht, so dachte Absaara, gab es auf ganz Inyaan keinen Koch, der dem seltsamen Fremden etwas Gutes tun konnte.
Rotunar war offensichtlich krank. Es gelang Absaara nicht, einen mentalen Kreis mit ihm zu bilden, denn dieser von der Zentralwelt Helemaii’nu stammende Fremde hatte sich geistig isoliert. Und es gab keine größere gesundheitliche Bedrohung für einen Alendei als die mentale Abschottung von den Seinen. Zwar war eine oberflächliche telepathische Kommunikation möglich, doch Rotunar hatte seine geistigen Schilde derart fest um sich gepflanzt, dass Absaara nicht einmal der kleinste Einblick in seine mentale Sphäre gelang. Vielleicht, so dachte sie manchmal, war es das grausame Schicksal Helemaiis, das Rotunar krankgemacht hatte. Der kleine Trabant Helemon war vor mehr als zehn Monden auf Helemaii gestürzt und hatte den Planeten für lange Zeit unbewohnbar gemacht.
Sie klopfte an die Tür des Gastzimmers. Sie empfing keinerlei mentalen Impuls, der sie zum Eintreten aufforderte. Sie klopfte erneut.
»Absaara?« , erklang es schwach in ihrem Geist.
»Ja, Rotunar, ich bin es. Ich bringe das Essen.«
»Komm herein, Absaara.«
Sie öffnete die Tür und trat ein. Rotunar saß in dem bequemen Sessel, in dem er immer saß, wenn Absaara ihm das Essen brachte oder die Bettwäsche wechselte. Fast schien es ihr, dass er nichts anderes tat, als in diesem Sessel zu sitzen. Die Tage, an denen er sein Zimmer verlassen hatte, um einen Spaziergang zur Stadt zu unternehmen, konnte sie an einer Hand abzählen. Da war es immerhin ein Glück, dass ihn zumindest die junge Alendei, die er anscheinend bei einem seiner seltenen Ausflüge kennengelernt hatte, regelmäßig besuchte.
Als Rotunar sich bei Absaara einquartiert hatte, war sein weich gezeichnetes Gesicht voll und hübsch gewesen. Anmutig war es immer noch, doch mittlerweile so hager, dass Absaara manchmal Angst um ihn bekam. Die vollen, dunklen Haare ließen sein Antlitz wie einen bleichen Strich erscheinen, doch in seinen großen Augen lagen noch immer die Schönheit und Vergeistigung, mit denen er Absaara bei seiner Ankunft beeindruckt hatte.
Sie stellte das Tablett auf dem Tisch ab.
»Du musst essen, Rotunar« , forderte Absaara ihn auf telepathische Weise auf. »Ein paar Salatblätter täglich reichen nicht. Ist dir denn nicht klar, dass du mit deiner Gesundheit spielst?«
Hotunar saß still in seinem Sessel, die Hände lagen auf den Lehnen.
»Es wäre gut, wenn deine Freundin – wie war ihr Name …?«
»Kangaara …«
»… wenn Kangaara dich bald wieder einmal besuchte. Diese Frau tut dir gut, dies spüre ich ganz deutlich – auch wenn ich sonst kaum etwas erspüre. Du entziehst dich dem geistigen Verbund der Unseren, und ich ahne, dass es nicht deine Schuld
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