Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
sagte nichts. Manchmal war das Schweigen einer Aes Sedai genauso laut wie ihre Worte.
Elayne strich über den Ring am Ringfinger ihrer linken Hand und eilte fast im Trab los. Ihr Blick war weit genug nach vorn gerichtet, damit sie behaupten konnte, sie habe niemanden bemerkt, die sie vielleicht aufhalten wollte, um ihr ebenfalls zu gratulieren. Das mochte funktionieren, konnte ihr aber auch einen Besuch bei Tiana einbringen. Die Duldsamkeit ihrer guten Arbeit wegen hatte ihre Grenzen. In diesem Augenblick jedenfalls wäre ihr Tiana lieber gewesen als all dieses unverdiente Lob.
Der Goldring stellte eine Schlange dar, die in den eigenen Schwanz biss, die Große Schlange, ein Sinnbild für die Aes Sedai, das auch von den Aufgenommenen getragen wurde. Wenn sie einst die Stola anlegte, deren Fransen die Farbe der von ihr erwählten Ajah zeigten, konnte sie ihn an jedem beliebigen Finger tragen. Notwendigerweise würde sie sich für die Grünen Ajah entscheiden, denn nur Grüne Schwestern hatten mehr als einen Behüter, und sie wollte Rand haben. Oder wenigstens wollte sie so viel von ihm haben wie möglich. Das Problem war, dass sie ja bereits Birgitte an sich gebunden hatte, die erste Frau überhaupt, die je Behüterin geworden war. Deshalb konnte sie auch Birgittes Empfindungen mitfühlen. So hatte sie beispielsweise heute Morgen gespürt, dass sich Birgitte einen Splitter in die Hand gerissen hatte. Nur Nynaeve wusste von dieser Verbindung. Behüter standen nur fertigen Aes Sedai zu. Eine Aufgenommene, die diese Grenze überschritt, konnte auch mit größter Duldsamkeit nicht gerettet werden. Sie hatte das allerdings aus purer Notwendigkeit getan und nicht aus einer Laune heraus, denn sonst wäre Birgitte gestorben; aber Elayne glaubte nicht, dass sie deswegen davongekommen wäre. Eine der Regeln bezüglich der Anwendung der Macht zu übertreten konnte für sie selbst und für andere tödlich ausgehen. Und um das jeder ganz fest einzuprägen, ließen die Aes Sedai nur selten jemanden davonkommen, wenn sie eine solche Vorschrift übertreten hatte, gleich, aus welchem Grund auch immer.
Es gab so vieles hier in Salidar, wofür sie Ausreden erfinden mussten, nicht nur Birgitte und Moghedien. Einer der Eide hielt eine Aes Sedai vom Lügen ab, doch wenn man etwas gar nicht erwähnte, musste man auch nicht lügen. Moiraine hatte gewusst, wie man eine Tarnkappe webt und sich unsichtbar macht. Vielleicht hatte sie den gleichen Trick wie Moghedien angewandt. Nynaeve hatte Moiraine einmal dabei beobachtet, bevor sie selbst eine Ahnung vom Gebrauch der Macht hatte. Aber in Salidar hatte sonst niemand davon gewusst. Oder zumindest hatte niemand es zugegeben. Birgitte hatte bestätigt, was Elayne allmählich schon vermutet hatte, dass nämlich die meisten Aes Sedai, vielleicht sogar alle, mindestens einen Teil ihres Wissens zurückhielten. Und sie hatten so ihre eigenen geheimen Tricks. Falls genügend Aes Sedai solche Tricks entdeckten, brachte man sie schließlich auch den Novizinnen und Aufgenommenen bei. Manches Wissen starb aber auch mit der Aes Sedai, die es besessen hatte. Zwei- oder dreimal hatte sie geglaubt, ein gewisses Glitzern in den Augen der einen oder anderen zu entdecken, wenn sie etwas vorführte. Carenna hatte sich dieses Lauschtricks verdächtig schnell bemächtigt. Aber eine Aufgenommene konnte ja so etwas keiner Aes Sedai ins Gesicht sagen.
Das Wissen um solche Dinge machte ihr die eigenen Täuschungsmanöver nicht angenehmer, aber vielleicht half es doch ein wenig. Das, und dass sie sich immer wieder an die Notwendigkeit ihres Handelns erinnerte. Wenn sie nur aufhörten, sie für Errungenschaften zu lobpreisen, die gar nicht von ihr stammten!
Ihr war klar, wo sie Min finden würde. Der Eldar strömte keine drei Meilen westlich von Salidar vorbei, und am Rand des Dorfes gab es ein winziges Bächlein, das durch den Wald zum Eldar hin floss. Die meisten Bäume im Dorf selbst waren nach der Ankunft der Aes Sedai gefällt worden, aber hinter ein paar Häusern hatte man am Ufer des Bächleins einige Bäume stehen lassen, weil dieser schmale Streifen Landes nicht zu gebrauchen war. Min behauptete ja, sich in der Stadt am wohlsten zu fühlen, aber sie ging doch häufig dorthin und saß eine Weile unter den Bäumen. Auf diese Weise konnte sie eine Zeit lang der Gesellschaft von Aes Sedai und Behütern entkommen, und das war für Min beinahe lebensnotwendig.
Und tatsächlich. Als Elayne vorsichtig um eine
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