Das Schicksal der Zwerge
dem jungen Mann einen dicken, grüngelblichen Klumpen ins Gesicht. »Aber ich lasse noch einmal Gnade walten. Ich habe keine Lust, mir die gute Laune zu verderben.« Er polterte die Stufen hinab und setzte sich genau vor Loytan, sodass sein Helm die Sicht auf die Bühne einschränkte. »Ich empfehle Euch, nicht mehr da zu sein, wenn ich mich später erhebe. Solltet Ihr immer noch dasitzen, werde ich die Befehle von Meister Lohasbrand umsetzen.« Seine Begleiter lachten lauthals und nahmen ebenfalls Platz.
»Die erste Disziplin, geschätzte Spectatores, ist bei euch hochbeliebt und möchte zuallererst ausgetragen sein«, rief der weiß gekleidete Mann auf der Bühne weithin hörbar. »Es ist der Wettbewerb der schnellen, bissigen Worte, der vor den Ohren Mifurdanias, dem Ort, an dem der Unglaubliche so lange weilte, beginnen soll.« Er blickte in die Runde und stemmte die Arme in die Hüften. »Oh, man sieht an so manchem Gesicht auf dem Marktplatz, wohin die Ahnin gerne gegangen ist: ins Curiosum ... und zwar hinter die Bühne!«
Die Menge jubelte.
Coira hielt Loytans Hand fest, die an den Gürtel zum Kurzschwert gewandert war. »Nein«, flüsterte sie eindringlich.
Er zitterte vor Zorn am ganzen Körper. »Aber...«
»Du magst ihn vielleicht bezwingen, aber die Orks werden zu deiner Familie gehen und sie abschlachten. Der Drache bestraft alle, nicht nur einen Einzelnen hast du das in deinem Stolz vergessen?« Coira nahm ihr Taschentuch und wollte ihm den Speichel des Lohasbranders abwischen, aber er wandte sich zur Seite und nahm seinen Ärmel. »Eines Umlaufs wird ihn nichts mehr vor mir retten«, knurrte Loytan. Die Frau ließ ihn vorsichtig los. Die Gefahr war vorerst gebannt. »Überlass die Aufstände anderen«, sagte sie leise. »Menschen ohne Angehörige.«
Er richtete den Blick nach vorn. »Ihr meint diesen feigen Zeilenreimer?«
»Er ist Poet, kein einfacher Dichter und schon gar kein feiger Zeilenreimer. Seine Werke, die er heimlich nachts an den Häusern von Weyurn anschlägt, haben mehr vollbracht als ein Schwert oder ein Pfeil.« Coira hatte die Eifersucht in Loytans Stimme sehr genau vernommen, und dabei war sie unnütz. Er hatte schon lange eine Gemahlin an seiner Seite. Sie selbst betrachtete ihn mehr als großen Bruder und Beschützer. Ihr selbst war bislang niemand begegnet, dem sie ihr Herz und ihre Unschuld hätte schenken wollen.
»Seine Zeilen bringen denjenigen, die ihnen folgen, den Tod«, hielt Loytan prompt dagegen und nickte zum Holzklotz. »Ich sehe die Haare, die im Blut hängen. Die Armen sind geköpft worden, weil sie Freiheit für das Königreich und Eure Mutter gefordert haben.«
»Sprecht noch ein einziges Wort, Loytansberg«, kam es aus dem Mund des Lohasbranders vor ihm, »und Ihr seid der Nächste, der Bekanntschaft mit dem Richtblock macht. Ich will von Eurem Geschwafel nicht weiter belästigt werden, also haltet Euer Maul! Oder ich sorge dafür, dass es sich niemals mehr öffnet.« Wieder lachten seine Kumpane.
Loytan schnaubte und langte nach seinem Becher Wein, nippte daran und schluckte die Erwiderung hinab.
Der Ausrufer auf dem Podest richtete sich auf. »Sodann mögen die Unnettigkeiten fliegen und die Luft zu unserer Erbauung verunreinigen. Rodariosöhne und töchter, lasst uns hören, was ihr könnt!«
Den Anfang machte eine junge Frau, die sich einen überlangen Schnur und Kinnbart angeklebt hatte und übertrieben männlich nach vorn an den Rand der Bühne trat; dort blieb sie stehen, fuhr sich über die künstlichen Gesichtshaare und fasste sich in den Schritt. Sie veralberte die Männer mit ihren Gesten ganz ausgezeichnet, was die Spectatores beklatschten.
Abrupt riss sie sich die falschen Barte ab. »Oh, Manneszier, fahr fort von mir!«, rief sie. »Bin Ladenia und Frau, ihr sehts genau, und doch mehr Mann, als mancher von euch es kann.« Sie schritt die Reihe der Rodarios frech grinsend entlang, bis sie vor dem Unerreichbaren angelangt war. »Ihr wolltet den Titel, wurde mir gesagt, und Ihr hättet die besten Aussichten, heißt es. Weil Ihr so schön seid«, sie dehnte das Wort und klimperte mit den Augendeckeln, »weil Ihr so klug seid«, dabei legte sie die Hand an dieStirn, »und weil Ihr mit den meisten Frauen in der Stadt das Lager teiltet, die alle für Euch stimmen werden.« Sie lachte. »Aber ich sehe mehr Männer als Frauen zu unseren Füßen: Ich war wohl besser als Ihr!«
Die Menge rief laut, vielstimmiges Lachen erfüllte die Luft.
»Ihr
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