Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schloß

Das Schloß

Titel: Das Schloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
Vom Netzwerk:
wir konnten nur sehr unbestimmt antworten, daß wir von einer solchen Berufung nichts wüßten und daß nach einem Landvermesser bei uns kein Bedarf sei.«
    »Aber«, unterbrach sich hier der Vorsteher, als sei er im Eifer des Erzählens zu weit gegangen oder als sei es wenigstens möglich daß er zu weit gegangen sei, »langweilt Sie die Geschichte nicht?«
    »Nein«, sagte K., »sie unterhält mich.«
    Darauf der Vorsteher: »Ich erzähle es Ihnen nicht zur Unterhaltung.«
    »Es unterhält mich nur dadurch«, sagte K., »daß ich einen Einblick in das lächerliche Gewirre bekomme, welches unter Umständen über die Existenz eines Menschen entscheidet.«
    »Sie haben noch keinen Einblick bekommen«, sagte ernst der Vorsteher, »und ich kann Ihnen weitererzählen. Von unserer Antwort war natürlich ein Sordini nicht befriedigt. Ich bewundere den Mann, trotzdem er für mich eine Qual ist. Er mißtraut nämlich jedem, auch wenn er z.B. irgendjemanden bei unzähligen Gelegenheiten als den vertrauenswürdigsten Menschen kennengelernt hat, mißtraut er ihm bei der nächsten Gelegenheit, wie wenn er ihn gar nicht kennen würde oder richtiger wie wenn er ihn als Lumpen kennen würde. Ich halte das für richtig, ein Beamter muß so vorgehn, leider kann ich diesen Grundsatz meiner Natur nach nicht befolgen, Sie sehn ja wie ich Ihnen, einem Fremden, alles offen vorlege, ich kann eben nicht anders. Sordini dagegen faßte unserer Antwort gegenüber sofort Mißtrauen. Es entwickelte sich nun eine große Korrespondenz. Sordini fragte, warum es mir plötzlich eingefallen sei, daß kein Landvermesser berufen werden solle, ich antwortete mit Hilfe von Mizzis ausgezeichnetem Gedächtnis, daß doch die erste Anregung vom Amt selbst ausgegangen sei (daß es sich um eine andere Abteilung handelte, hatten wir natürlich schon längst vergessen), Sordini dagegen: warum ich diese amtliche Zuschrift erst jetzt erwähne, ich wiederum: weil ich mich erst jetzt an sie erinnert habe, Sordini: das sei sehr merkwürdig, ich: das sei gar nicht merkwürdig bei einer so lange sich hinziehenden Angelegenheit, Sordini: es sei
doch
merkwürdig, denn die Zuschrift, an die ich mich erinnert habe, existiere nicht, ich: natürlich existiere sie nicht, weil der ganze Akt verloren gegangen sei, Sordini: es müßte aber doch ein Vormerk hinsichtlich jener ersten Zuschrift bestehn, der aber bestehe nicht. Da stockte ich, denn daß in Sordinis Abteilung ein Fehler unterlaufen sei, wagte ich weder zu behaupten noch zu glauben. Sie machen vielleicht, Herr Landvermesser, Sordini in Gedanken den Vorwurf, daß ihn die Rücksicht auf meine Behauptung wenigstens dazu hätte bewegen sollen, sich bei andern Abteilungen nach der Sache zu erkundigen. Gerade das aber wäre unrichtig gewesen, ich will nicht, daß an diesem Manne auch nur in Ihren Gedanken ein Makel bleibt. Es ist ein Arbeitsgrundsatz der Behörde, daß mit Fehlermöglichkeiten überhaupt nicht gerechnet wird. Dieser Grundsatz ist berechtigt durch die vorzügliche Organisation des Ganzen und er ist notwendig, wenn äußerste Schnelligkeit der Erledigung erreicht werden soll. Sordini durfte sich also bei andern Abteilungen gar nicht erkundigen, übrigens hätten ihm diese Abteilungen gar nicht geantwortet, weil sie gleich gemerkt hätten, daß es sich um Ausforschung einer Fehlermöglichkeit handle.«
    »Erlauben Sie Herr Vorsteher daß ich Sie mit einer Frage unterbreche«, sagte K., »erwähnten Sie nicht früher einmal eine Kontrollbehörde? Die Wirtschaft ist ja nach Ihrer Darstellung eine derartige, daß einem bei der Vorstellung, die Kontrolle könnte ausbleiben, übel wird.«
    »Sie sind sehr streng«, sagte der Vorsteher, »aber vertausendfachen Sie Ihre Strenge und sie wird noch immer nichts sein verglichen mit der Strenge, welche die Behörde gegen sich selbst anwendet. Nur ein völlig Fremder kann Ihre Frage stellen. Ob es Kontrollbehörden gibt? Es gibt nur Kontrollbehörden. Freilich, sie sind nicht dazu bestimmt, Fehler im groben Wortsinn herauszufinden, denn Fehler kommen ja nicht vor und selbst wenn einmal ein Fehler vorkommt, wie in Ihrem Fall, wer darf denn endgiltig sagen, daß es ein Fehler ist.«
    »Das wäre etwas völlig Neues«, rief K.
    »Mir ist es etwas sehr Altes«, sagte der Vorsteher. »Ich bin nicht viel anders als Sie selbst davon überzeugt, daß ein Fehler vorgekommen ist und Sordini ist infolge der Verzweiflung darüber schwer erkrankt und die ersten Kontrollämter, denen wir

Weitere Kostenlose Bücher