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Das spanische Medaillon

Das spanische Medaillon

Titel: Das spanische Medaillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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maßregeln können.
    »Ich werde Sie, verehrte Marquise, kaum an die Verschwiegenheitsklausel erinnern müssen, die eine Grundlage des kriminalistischen Berufsstandes darstellt. Dass Sie den schrecklichen Fundort jetzt nicht sofort in Augenschein nehmen können, bitte ich zu entschuldigen. Doch Sie haben ja Ihren Informanten quasi im Gefolge ...«
    Nachdem er dies mit einem Seitenblick auf unseren ärztlichen Begleiter hinzugesetzt und sowohl mich als auch Jérôme mit amtlich-untertänigem Diener aus der Unterredung entlassen hatte, verschwanden er und der Kreisphysikus in Richtung Kapelle. Heim konnte nicht anders, als mir im Abgehen anerkennend zuzuzwinkern und zuzuraunen:
    »Jetzt ist es ja wohl amtlich, Frau Kriminalistin !«
    Gegen die ursprüngliche Meinung der Wirtschafterin kam nun doch die Gutsherrin und Hinterbliebene, Anna Ludwigia von Kapell, aus dem Haus, uns zu begrüßen. Wir waren zwar mit den von Kapells nicht sehr eng befreundet, doch im Umgang vertraut genug, um unverzüglich unsere Teilnahme zu bekunden, ohne dass sie uns für aufdringlich hätte halten müssen.
    Die hochgewachsene Dame sah aus wie eine mit dunklem Flor umwebte Lupine. Ihr Ururgroßvater väterlicherseits, Karl Ludwig Roemer, war ein bekannter Mann gewesen, der in seinem vielbändigen Erinnerungswerk, den Relationes curiosae, welches ist: Sammlung curieuser Lebenswirrnisse eines vielgereisten Lebemannes ... ein Panorama des vorvergangenen Jahrhunderts geliefert hatte. Exponate seiner Reisen standen noch überall im Haus. In der Halle war es vor allem ein Totem der Südseeindianer einer Insel namens Rah-Naa, wie ein Etikett verriet. Es war ein ausgehöhlter Baumstamm, längs in der Mitte halbiert, in einzelnen Segmenten die heiligen Tiere der Rah-Naaer zeigend: Krokodil, Kakadu, Schreiseeadler, Antilope, Haselmaus. Das schwarz, weiß, rot, blau, gelb, grün, orange, rosé bemalte Holz strahlte trotz seines hohen Alters eine immense Lebensfrische aus.
    Ich suchte der Leidtragenden, so gut ich konnte, in ihrer furchtbaren Lage beizustehen. Bei Gewaltverbrechen wird den Hinterbliebenen oft ein Vielfaches an Schmerz zugefügt als dem Opfer, doch dafür interessiert sich kaum jemand, am seltensten ein ermittelnder Inspekteur. So drückte ich die bitterlich weinende Witwe an mich, kaum dass uns Jérôme allein gelassen, wofür ich ihm innerlich lebhaft dankte. Ich war nach seiner letzten Äußerung reichlich wenig geneigt, ihn an diesem Vormittag länger neben mir zu haben.
    Die Ärmste war nach allem, was ihr widerfahren in den voraufgegangenen Stunden, ein zitterndes Nervenbündel und kaum mehr der Sprache mächtig.
    »Denken Sie einmal an etwas anderes«, sagte ich. »Sagen Sie sich etwa, dass Ihr Gatte bei Ihnen sein wird, solange Sie leben. Er wird sich in Ihr weiteres Schicksal mischen, zwar auf andere Weise, als bisher – aber dennoch ... Mir ist es immer ein tröstender Gedanke, dass die Abgeschiedenen uns zur Seite stehen werden und uns beraten.«
    Sie schluchzte heftig, doch meine Worte schienen sie zu berühren. Nachdem wir noch einige Sekunden in der Halle von Ludwigienau gestanden hatten, innig vereint im Schmerze und umgeben von den kultischen Geräten der Südmeerinsulaner, bat sie mich, ihr in die Küche zu folgen. Hier holte sie, während das Gesinde knickste und dienerte, eine Flasche Branntwein aus dem Schrank des Großknechts hervor und goss erst mir ein gehöriges Glas ein, dann sich selbst. Ich sah, wie sie die klare Flüssigkeit hinunterstürzte, und tat es ihr ohne langes Bedenken gleich. Es ist nie gut, sich den Anordnungen des Gastgebers zu widersetzen, am wenigsten in einem solchen Falle.
    »Meine Werteste«, sagte sie endlich, gleich noch einmal einschenkend, »ein Segen, dass Sie da sind!«
    Sie nahm noch einen beherzten Schluck, stellte auch die Flasche nicht zurück, sondern ließ sie in ihrem Kleid verschwinden wie ein Zauberer im Zylinder.
    »Die Unken aus unserer Nachbarschaft trauen sich nicht heraus, und nebenbei: Sie könnten mir auch gestohlen bleiben!« Sie kam wieder an die Oberfläche des Jetzt und sagte, die Tränen gerade so eben tapfer zurückhaltend:
    »Nicht jeder hat Ihren Mut, meine Teuerste! Es ist ein Grauen! Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht ...«
    Sie stutzte und die Feuchtigkeit strömte in ihre Augen. Die Wendung mit dem Kopf war ihr einfach so herausgerutscht.
    »Ich fasse gar nichts mehr. Wie soll man das auch begreifen? Karl August hat doch keinem etwas getan! Er war die

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