Das Spiel beginnt
rosa Papierschnipsel eine Lehre sein. Uns war es egal. Wir waren nur froh, dass wir den Schulflur für uns hatten.
Unsere feuchten Chucks quietschten auf dem Fliesenboden, als wir auf unseren Klassenraum zuschlichen, vorbei an Räumen voller Fremder, den gedämpften Stimmen der Lehrer, mit Aufklebern übersäten Schließfächern, Snack-Automaten, Cafeteria-Mief und Toiletten mit massenweise Kabinen. Nichts, was Teen Vogue oder Seventeen jemals über die Schule geschrieben hatten, hätte mich auf diese überwältigende Flut von Eindrücken vorbereiten können.
»Ist das nicht irre?« Ich kicherte. »Wir gehen wirklich zur Schule. Glaubst du, dass wir Tag zwei überleben werden?«
»In eure Klassenräume!«, brüllte der Zettelverteiler.
»Nö«, flüsterte Blake.
»Du schuldest mir was«, flüsterte ich zurück.
»Ich weiß.«
So weit, so gut. Es ist die letzte Stunde und ich bin immer noch hier. Ich habe Algebra und höre nicht mehr zu, weil der Kram so einfach ist. Ich schreibe weiter, damit es so aussieht, als würde ich mir Notizen machen.
Ich habe Blake immer noch nicht gestanden, wieso ich wirklich auf die Noble gehen wollte. Mein wahrer Grund hat nichts mit Freundschaft, irgendeiner Bildungserfahrung, Prestige oder Eliteunis zu tun. Sondern nur mit dem Jungen von nebenan.
Sein Name ist Andrew Duffy. Er hat schmutzig blonde Haare, grüne Augen, volle Lippen und eine Lücke zwischen den Schneidezähnen. Er ist groß und schlank und geht immer ein bisschen vornübergebeugt. Wenn er gerade keinen Basketball dribbelt, hat er die Hände in den Hosentaschen. Er trägt Kapuzenshirts und benutzt die Kapuzen auch. Jetzt schreibt er gerade Matheaufgaben von der Tafel ab. Ihn zu beobachten, fühlt sich an, als würde ich mit dem Skateboard eine Serpentinenstrecke hinunterrasen.
Sheridan
5.9.12
INNENRAUM. SHERIDAN – ABENDS
Das Badeöl mit dem Lavendelduft schimmert auf SHERIDANs Haut. Sie wickelt ihre nassen Haare in einen Handtuchturban, lässt sich aufs Bett fallen und wartet darauf, dass »Good Morning Baltimore« (die Originalaufnahme des Broadway-Musicals Hairspray) aus den Ohrstöpseln erklingt. Sie fängt an zu schreiben.
Audri und ich waren heute nach der Schule im Einkaufszentrum, um uns Kostüme für den Schulanfang zu kaufen. Wir nennen sie »Kostüme«, um uns mehr wie Schauspielerinnen zu fühlen. Was wir auch sind. Der einzige Unterschied ist, dass ich diese Berufung esse, atme und schlafe, während Audri sie nur atmet. Aber es funktioniert. Sie war nun schon in sieben Aufführungen hintereinander meine zweite Besetzung. Acht, sobald sie das Theaterstück dieses Schuljahrs besetzen.
Ich hoffe, dass es ein richtiges Drama sein wird und nicht wieder eine Mittelschulnummer wie Annie . Ich bin mehr als bereit, meine Wohlfühlzone zu verlassen und alles zu geben. Eine Ausgestoßene mit einem herzergreifenden Solo. OMG, Éponine aus Les Mis wäre perfekt. Ich war bisher noch nie »gestört« und habe mich auch noch nie in einen depressiven Promi hineinversetzt, also wäre das eine Herausforderung. Eine, die ich nur zu gern annehmen würde.
Aber zurück zur Mall. Ich habe einen halbwegs ansehnlichen Busen, einen flachen Bauch und ein Rubens-Fahrgestell. Ich weiß, dass es sinnlos ist, sich über etwas aufzuregen, das man nicht ändern kann, vor allem Körperteile und noch dazu gesunde Körperteile. Aber der Jeansabteilung von Old Navy zufolge bin ich eine »Birne«. Und sind wir doch mal ehrlich – es gibt nicht gerade massenweise Hauptrollen für Birnen. Also stürmte ich beleidigt wieder hinaus, ohne etwas anzuprobieren.
Audri schlug vor, ich sollte Werbespots für Fruit of the Loom machen. Darüber haben wir uns schlappgelacht, bis wir bei Jamba Juice ankamen. Da war ich dann gleich wieder schlecht gelaunt, weil es dort nur Zeug gab, das sofort auf den Hüften landet.
Beim Stöbern im nächsten Laden sagte Audri, dass es einen Haufen Stars mit üppigem Hintern gäbe – wie Jennifer Lopez, Jessica Biel, Maria Menounos und die Dove-Models. Sie bot an, mit mir den Körper zu tauschen, weil sie ein »Sellerie« ist. Wie zum Beweis ließ sie ihre dünnen Arme an ihren formlosen Hüften herumbaumeln.
Rundungen sind sexy. (Audri, plötzlich zur Expertin geworden) Vertrau mir, Sher, Jungs stehen mehr auf Birnen als auf Sellerie.
Wieso? (Ich)
Mehr, in das sie ihre Zähne schlagen können. (Audri)
Ich erstickte beinahe an meinem Fünffrucht-Smoothie, denn gerade, als sie das sagte, kamen drei
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