Verrat im Zunfthaus
Prolog
Es war schon weit nach Mitternacht, als die junge Frau das Haus des Ritters am Laurenzplatz verließ. Die Stadt lag in tiefer Stille, und ihre Laterne warf nur einen kleinen Lichtkreis, der jedoch sofort die Mücken anzog. Die letzten Tage waren ungewöhnlich heiß gewesen. Die Straßen und Häuser der Stadt hatten die Sonnenwärme regelrecht gespeichert, sodass auch die Nacht nicht die ersehnte Abkühlung brachte.
Ihr Weg war nicht sehr weit, aber dennoch lang genug, um ihre innere Unruhe noch weiter anwachsen zu lassen. Sie wusste, es wäre besser gewesen, die Stadt nicht mehr zu betreten, und sie würde sie auch auf dem schnellsten Wege wieder verlassen müssen – für immer.
Nur um dem Mann, den sie liebte, einen Dienst zu erweisen, hatte sie einer Aussprache innerhalb der Stadtmauern zugestimmt. Ihr Schicksal war besiegelt, aber ihn könnte sie vielleicht noch retten. Dafür würde sie jede Gefahr auf sich nehmen. Er hatte zu ihr gehalten und ihr die Ehe versprochen, trotz allem, was passiert war. Wenn es ihr nur gelänge, die Schuld auf sich zu nehmen …
An einer Häuserecke blieb sie stehen und strich sich über den leicht gewölbten Bauch. Nein, es wäre nicht recht, wenn auch er vor den Häschern fliehen musste. Er war ein angesehener Kölner Kaufmann, dessen Wein bis ins Badische hinein beliebt war. Wenn sie etwas tunkonnte, um ihn von der Last des Urteils zu befreien, dann würde sie nicht zögern, es zu tun.
Mit neuem Mut schritt sie voran, und nach kurzer Zeit war sie an ihrem Ziel angekommen. Es war noch abgeschlossen. Also war er wohl noch nicht da. Sie zog den großen Schlüssel ihres Vaters aus ihrer Gürteltasche und öffnete die Tür, hängte die Laterne an einen der Wandhaken und blickte sich prüfend um.
Sie selbst hatte diesen Treffpunkt vorgeschlagen. Wenn jemand sie hier antreffen würde, könnte sie recht einfach eine Erklärung finden. Doch niemand hatte sie gesehen. Zu dieser Zeit wäre dies auch sehr unwahrscheinlich gewesen. Auf ihrem kurzen Weg war sie nicht einmal einer Stadtwache begegnet.
Er schien doch schon da zu sein. Hinter einer nur angelehnten Tür sah sie einen flackernden Lichtschimmer.
Vorsichtig nahm sie die Laterne wieder vom Haken, schlich zu der Tür und lauschte. Nichts war zu hören. Oder doch? Kam da nicht ein Geräusch aus dem Raum? Sie atmete tief durch, stieß die Tür weiter auf und blickte sich suchend um.
1
«Herrin, wir sollten uns beeilen», sagte Franziska mit einem Blick zum Himmel. «Das gibt ein schweres Gewitter, wenn Ihr mich fragt.»
Von der Eifel zogen schwarzgraue Wolken heran, die Luft in den Gassen Kölns war zum Schneiden dick, die Rinnsteine stanken nach Küchenabfällen und dem Inhalt unzähliger Nachttöpfe. Schwärme dicker schwarzer Fliegen bedeckten die Abfälle wie ein schimmernder Teppich.
Adelina nickte zustimmend. «Wir sind ja gleich da. Und wenn wir Glück haben, noch vor dem Unwetter wieder zurück. Meister Vetscholder braucht nur noch einen Abdruck meines neuen Siegels für das Zunftregister und meine Unterschrift.» Sie wischte sich mit dem Ärmel ein paar Schweißtropfen von der Stirn und lockerte das Gebende ihrer Haube. «Hoffentlich bringt der Regen ein wenig Abkühlung!»
Franziska wischte sich ebenfalls den Schweiß aus dem Gesicht. Ihr Kleid wies unter den Achseln und am Rücken dunkle Flecken auf. «Wenn wir zurück sind, kann Magda Euch ein kühles Fußbad richten. Das hat Euch doch während Eurer Schwangerschaft immer so gut getan.»
«Eine gute Idee, Franziska.» Lächelnd dachte Adelina an einen Bottich mit kühlendem Wasser. Wie angenehm müsste es sein, ihrem gerade drei Monate alten Sohn die Brust zu geben, während ihre Füße im Wasser Abkühlungfänden. «Wirklich eine gute Idee! Da wären wir.» Sie pochte an die Tür des Versammlungshauses der Gaffel Himmelreich.
Ein bewaffneter Stadtsoldat öffnete ihr, begrüßte sie freundlich und ließ sie ein. Seit die neue Stadtverfassung, der Verbundbrief, in Kraft getreten und vom Erzbischof sowie von König Wenzel anerkannt worden war, hatte es in der Stadt vereinzelt Unruhen gegeben. Um sich vor Aufwieglern aus den Reihen der entmachteten Patrizier zu schützen, hatten die Zünfte, die nun in verschiedenen Gaffeln zusammengeschlossen waren, beim Stadtrat um bewaffneten Schutz ihrer Versammlungs- und Verwaltungshäuser gebeten.
Adelina wies Franziska an, beim Eingang zu warten, und ging zielstrebig auf eines der Schreibzimmer zu. Da die Tür halb
Weitere Kostenlose Bücher