Das tapfere Schneiderlein
ausgerissen haben. Sonst hätte ich wie ein Eichhörnchen auf einen andern springen müssen.« Es zog sein Schwert und versetzte jedem Riesen ein paar tüchtige Hiebe in die Brust. Dann ging es zum Waldesrand, wo die Reiter warteten, und sagte: »Die Arbeit ist getan. Beide Riesen sind tot. Aber es ist hart zugegangen, sie haben in der Not Bäume ausgerissen und sich damit gewehrt. Doch das hilft alles nichts, wenn einer kommt wie ich, der sieben auf einen Streich schlägt.«
»Seid Ihr denn nicht verwundet?«, fragten die Reiter.
»Kein Haar haben sie mir gekrümmt«, antwortete der Schneider.
Die Reiter wollten ihm nicht glauben und ritten in den Wald hinein. Da fanden sie die toten Riesen in ihrem Blut schwimmen, und ringsherum lagen die ausgerissenen Bäume.
Nun verlangte das Schneiderlein vom König die versprochene Belohnung. Der König aber bereute sein Versprechen und überlegte aufs Neue, wie er sich den Helden vom Hals schaffen könnte. »Bevor du meine Tochter und das halbe Reich erhältst, musst du noch eine Heldentat vollbringen«, sagte er zu ihm. »Im Wald läuft ein Einhorn herum, das groÃen Schaden anrichtet. Das musst du erst einfangen.«
»Vor einem Einhorn fürchte ich mich noch weniger als vor zwei Riesen. Sieben auf einen Streich, das ist meine Sache«, rief der Schneider. Er nahm sich einen Strick und eine Axt mit und ging hinaus in den Wald. Wieder befahl er seinen Begleitern, vor dem Wald zu warten. Er brauchte nicht lange zu suchen. Das Einhorn kam bald daher und sprang direkt auf den Schneider los, als wollte es ihn ohne Umstände aufspieÃen.
»Sachte«, sagte er, »so schnell geht das nicht.« Er blieb stehen und wartete, bis das Tier ganz nah herangekommen war. Dann sprang er blitzschnell hinter einen Baum. Das Einhorn aber rannte mit aller Kraft gegen den Baum und spieÃte sein Horn so fest in den Stamm, dass es nicht genug Kraft hatte, es wieder herauszuziehen. So war es gefangen. »Jetzt hab ich dich«, sagte der Schneider und kam hinter dem Baum hervor. Er legte dem Einhorn den Strick um den Hals und schlug mit der Axt das Horn aus dem Baum heraus. Dann führte er das Tier weg und brachte es dem König.
Der König aber wollte ihm den versprochenen Lohn noch immer nicht geben und stellte eine dritte Forderung. Der Schneider sollte ihm vor der Hochzeit noch ein Wildschwein fangen, das im Wald groÃen Schaden anrichtete. Die Jäger sollten ihm dabei helfen.
»Gerne«, sagte der Schneider, »das ist ein Kinderspiel.« Die Jäger nahm er jedoch nicht mit in den Wald. Die waren damit einverstanden, denn das Wildschwein hatte sie schon mehrmals angegriffen, so dass sie keine Lust hatten, ihm nachzujagen.
Als das Schwein den Schneider erblickte, lief es mit schäumendem Maul und zähnewetzend auf ihn zu und wollte ihn zu Boden werfen. Der flinke Held aber sprang in eine Kapelle, die in der Nähe war, und gleich in einem Satz zum Fenster wieder hinaus. Das Schwein war ihm in die Kapelle gefolgt. Das Schneiderlein aber rannte inzwischen auÃen um die Kapelle herum und schlug die Tür zu. Jetzt war das wütende Tier gefangen, denn es war viel zu schwer und unbeweglich, um zum Fenster hinauszuspringen. Das Schneiderlein rief die Jäger herbei, die den Gefangenen mit eigenen Augen sehen sollten.
Der Held aber begab sich zum König. Der musste nun sein Versprechen halten, ob er wollte oder nicht, und ihm seine Tochter und das halbe Königreich geben. Hätte er gewusst, dass kein Kriegsheld, sondern ein Schneiderlein vor ihm stand, so wäre es ihm noch schwerer gefallen. Die Hochzeit wurde mit groÃer Pracht gefeiert, wenn auch mit wenig Freude, und der Schneider wurde ein König.
Nach einiger Zeit hörte die junge Königin in der Nacht, wie ihr Mann im Traum sprach: »Junge, mach die Weste fertig und flick die Hosen, oder ich will dir das MaÃband um die Ohren schlagen.« Da merkte sie, woher der junge Herr stammte. Sie klagte am anderen Morgen ihrem Vater ihr Leid und bat, er möchte sie von dem Mann befreien, der nichts anderes als ein Schneider wäre.
Der König tröstete seine Tochter und sagte: »Lass in der nächsten Nacht deine Schlafkammer offen. Meine Diener sollen drauÃen warten und hineingehen, wenn dein Mann eingeschlafen ist. Sie sollen ihn fesseln und auf ein Schiff tragen, das ihn in die weite Welt fährt.« Die
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