Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
mit dem Ast vor dem Tier herum und brüllte in einem fort: »Weg du Biest! Weg!«
Die Prinzessin dagegen wirkte wie gelähmt, schaffte es offensichtlich nicht einmal, auf die Füße zu kommen. Nur ihre Stimme schien von der Lähmung verschont geblieben zu sein, denn sie schrie wie am Spieß. Rhonan hatte weder seinen Bogen noch sein Schwert dabei. Zwischen den begehrten Waffen und ihm befanden sich seine bedrohten Begleiter und ihr hungriger Angreifer. Der Wolf knurrte und bleckte die Zähne. Gideon konnte ihn kaum noch auf Abstand halten. Caitlin kreischte, schob sich jetzt aber wenigstens auf Hintern, Händen und Füßen rückwärts. Das Feuer erlosch, Gideons feuchter Ast qualmte nur noch.
Der Wolf zog den Kopf ein und setzte zum Sprung an, als der erste Dolch ihn traf. Er heulte auf, wirbelte noch im Sprung herum und brauchte nur zwei gewaltige Sätze, um den Prinzen zu erreichen und anzuspringen.
Gideon sah noch einen weiteren Dolch aufblitzen, bevor Wolf und Mann in einem einzigen Knäuel zwischen den Bäumen verschwanden. Er suchte in aller Eile einen neuen Ast und hielt ihn ins Feuer. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals, und das Holz war feucht und wollte nicht entflammen. Heiser bat er: »Komm schon! Brenne!«
»Ihr wollt mich hier doch nicht allein lassen?«, brachte Caitlin aufgelöst hervor.
Aus dem Wald drangen dumpfe Geräusche, wildes Knurren, lautes Keuchen, Stöhnen und ein fürchterliches Jaulen zu ihnen herüber. Winzige Flammen schlugen endlich aus dürren Zweigen.
»Ich komme hoffentlich gleich wieder«, krächzte er. »Wenn noch ein Wolf kommt, schreit einfach!«
»Ich schreie jetzt schon, wenn Ihr geht!« Sie sprang auf und klammerte sich an seinen Arm.
Er entfernte unsanft ihre Hände. »Im Namen der Götter!«
Alle Geräusche waren verstummt.
»Geht nicht! Bitte!«, flehte sie, die nackte Angst in den Augen.
Der Verianer warf ihr einen verzweifelten Blick zu, rannte, den schon wieder erlöschenden Ast schwingend, zwischen die Bäume und stolperte fast unmittelbar über den toten Wolf. »Oh, das ist schon mal gut!«, stöhnte er erleichtert und sah sich um.
Der Prinz stand an einen Baum gelehnt da und sah furchtbar aus. Das Hemd mehrfach eingerissen und dunkel von Blut, Hände und Gesicht blutverschmiert. Einen Ärmel hatte er teilweise abgerissen. Das Stück Stoff hatte er um seinen rechten Unterarm gewickelt und verknotete es gerade mit Hand und Mund.
Gideon schluckte entsetzt. »Ist das alles Euer Blut?«
Rhonan warf ihm einen kurzen Blick zu. »Dann würde ich kaum noch hier stehen.« Die Stimme klang belegt, und der Verianer sah voller Mitgefühl auf den Arm, der jetzt bereits zwei Verbände trug.
»Kann ich etwas für Euch tun?«
»Packt die Sachen! Wir müssen weiter!«
»Wollt Ihr Euch zuvor nicht erst ein wenig ausruhen?« Es war nicht zu übersehen, dass der Prinz zitterte und unter dem Blut totenbleich war.
»Hier ist nicht der geeignete Platz zum Lagern. Nicht einmal Riesenwölfe kommen üblicherweise dem Feuer zu nahe! Der Frost hat dieses Jahr viel zu früh eingesetzt, das Nahrungsangebot ist daher dürftig. Hunger ist eine nicht zu unterschätzende Antriebskraft. Wir müssen in die Mine.«
Gideons flaues Gefühl im Magen verstärkte sich. »Dann reiten wir besser weiter.« Er stand unentschlossen da und sah seinen abweisenden, aber mitgenommenen Begleiter hilflos an. »Kann ich … ich meine, benötigt Ihr vielleicht … soll ich vielleicht …?«
»Könnt Ihr mir Euren Arm leihen?«, unterbrach der Prinz das Gestammel.
Der Verianer kam der Bitte gern und umgehend nach, und Rhonan stützte sich schwer auf ihn.
»Wie weit ist es noch bis zu dieser Mine, von der Ihr spracht?«
»Nicht mehr weit.«
»Und was ist das für eine Mine?«, fragte Gideon weiter.
»Ein sicherer Ort.«
Caitlin stieß einen erschrockenen Schrei aus, als die Männer wieder auf die Lichtung kamen, und schlug die Hand vor den Mund, um ihren Brechreiz zu unterdrücken.
»Das ist Wolfsblut! Wir haben keine Zeit, Prinzessin! Wir müssen schnellstens weiter, bevor noch mehr von diesen Biestern kommen. Fangt an, zu packen!« Gideons Stimme klang immer aufgeregter, da er bereits, während er sprach, entferntes Wolfsgeheul vernahm. Er half seinem Begleiter in den Umhang und führte ihn zum Pferd.
Rhonan zog die Unterlippe ein und nagte auf ihr herum. Die Rothaarige stand jetzt hinter ihm, sah ihm zu, und er wusste nicht, wie er auf das verdammte Pferd kommen sollte. Sein linkes Bein war
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