Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
Wachen hatten die Hordenkrieger nicht einmal Zeit gehabt, Brustpanzer anzulegen. Aus dem Schlaf gerissen rannten sie planlos zwischen den Pferden umher und boten kaum Widerstand.
Der unerwartet leichte Erfolg ließ Darkoba umdenken. »Auf zum Westlager!«, brüllte er. »Breite Front! Auf mein Zeichen: Fackeln weg!«
»Das könnte knapp werden, General!«, wagte Hauptmann Waruss zu bemerken.
»Mütterchen Vorsicht hat noch nie eine Schlacht gewonnen. Gebt das Kommando!«
Ohrenbetäubendes Geschrei erklang, und die Adler stürmten weiter durch die Nacht, ließen ein brennendes Lager zurück, in dem kaum noch einer atmete.
Dem Kommandanten des Westlagers war das Feuer natürlich nicht entgangen, und umgehend hatte er seine Männer in Stellung gebracht.
Die Adler waren in Schussweite. »Letztes Feuer!«, brüllte Darkoba.
Pfeile wurden entzündet und geschossen. Unmittelbar danach flogen die Fackeln in den Nachthimmel. Die ersten Pfeile der Hordenkrieger kamen, abgelenkt vom Feuer der Fackeln, viel zu hoch. Die nächste Pfeilsalve der Adler surrte ungesehen durch die Nacht.
Schreie hallten durch die Dunkelheit.
Die Pferde erreichten die Schutzwälle und sprangen darüber hinweg, aber die Lanzen der Horden erwarteten sie diesmal, und Pferde gingen schmerzvoll wiehernd zu Boden, Reiter stürzten in ein Gewirr aus Pferde- und Menschenbeinen und blitzenden Waffen.
Die Krieger des Westlagers waren vorbereitet und leisteten erbitterten Widerstand. Darkobas Reiter wurden in heftige Kämpfe verwickelt. Aber deren kämpferische Überlegenheit war zu groß. Mehr und mehr erlahmte auch hier die Gegenwehr. Die Zahl der Hordenreiter, die noch kämpfen konnten, schrumpfte schnell. Die Adler hatten ihr Ziel erreicht.
Doch aus dem Süden näherten sich Hordenkrieger aus dem Hauptlager und waren schnell so nahe, dass sie den Adlern den Weg zum Westtor abschneiden konnten.
General Darkoba fluchte unterdrückt und brüllte. »Rückzug zum Nordtor! Nehmt die Verwundeten mit!«
Sie bekamen Hilfe aus der Stadt. Pfeile hagelten von der Mauer, und brennende Pechkugeln zwangen die Hordenreiter dazu, den Abstand zur Mauer zu vergrößern. Die Adler gewannen dadurch lebenswichtige Zeit.
Letzte Wolken lösten sich auf, und Mondlicht beschien die Ebene.
Hauptmann Waruss schluckte schwer. Ihr Plan war fehlgeschlagen, denn der Camora-General hatte nicht nur Truppen in den Süden, sondern auch in den Norden geschickt. Und diese Nordtruppe kam ihnen jetzt entgegen. Weder Nord- noch Westtor war nunmehr kampflos zu erreichen.
General Darkoba gab notgedrungen erneut das Zeichen zum Angriff.
Im gestreckten Galopp flogen die Pferde aufeinander zu.
Das Nordtor der Stadt wurde geöffnet. Die Flammenreiter kamen. Ihre Pferde jagten im Rücken der Horden über die Ebene. Pfeile flogen, glänzten wie silberner Regen im Mondschein und rissen Lücken in die Reihen der Hordenreiter. Pferde wieherten, Männer schrien und stürzten. Nur wenig später prallten die Reitertruppen aufeinander. Äxte schlugen auf Schilde, Schwerter auf Äxte.
General Darkoba – in glänzender Rüstung und mit Schwingen auf den Schultern – war erstes Angriffsziel der Horde. Von allen Seiten drangen die Krieger auf den Anführer der Adler ein.
»Wir müssen den General rausholen!«, brüllte Derea Remo zu und stürzte sich in das Getümmel. Patras schnaubte, bahnte sich kraftvoll seinen Weg und schlug aus, wenn es nötig war. Derea selbst wich einer Axt aus, schlug sein Schwert über ein Gesicht, trennte dem nächsten Krieger den Arm von der Schulter, sah aus dem Augenwinkel eine weitere Axt auf sich zusausen, tauchte weg und parierte. Schon griff der Feind erneut an.
Morrisen, ein junger Flammenreiter, bohrte sein Schwert in den Rücken des Angreifers und zwinkerte seinem Hauptmann zu. Derea schrie ihm eine Warnung zu, aber die kam schon zu spät. Eine Axt traf den jungen Reiter und trennte dessen Kopf halb vom Rumpf. Wutentbrannt preschte der Hauptmann auf den Hordenkrieger los und holte mit dem Schwert aus. Die Axt parierte. Derea knallte ihm seinen Schild unters Kinn, und sein Schwert schlitzte nur unwesentlich später den Leib des Reiters auf.
Waruss und Remo, unterstützt von Flammenreitern und Adlern, hatten den Kreis um Darkoba mittlerweile durchbrochen und schützten den General vor weiteren Angriffen. Der schwankte bereits im Sattel.
»Alles zurück!«, brüllte Derea. Die Adler, ihren General in der Mitte, stürmten auf das Tor zu. Die frischeren
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