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Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Titel: Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
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überhebliche Priesterinnenpack jetzt schon gründlich satthatte, unterdrückte eine schroffe Erwiderung, knirschte mit den Zähnen und wies mit einer ausladenden Handbewegung um sich herum. »Wie Ihr selbst sehen könnt, kann ich Euch im Augenblick keinen Eurer Wünsche erfüllen. Wenn Ihr Euch wieder in die Kutsche begeben würdet, könnten wir die Wüstenstadt Tegris und unseren Gasthof in Kürze erreichen.«
    Caitlin war nicht beeindruckt. »Dummkopf! Ich weiß, wo wir sind, und verlange nicht, dass Ihr Bäume wachsen lasst oder nach Wasser grabt. Ihr könntet ein Zelt aufbauen lassen und mir einen Wein bringen. Das sollte selbst Eure Fähigkeiten doch wohl nicht übersteigen«, erwiderte sie spitz.
    »Ein Zelt aufbauen? Doch nicht so kurz vor der Herberge«, empörte sich Cornelius. »Ich bitte Euch: Nehmt Vernunft an!«
    Die Augen der Prinzessin blitzten. Sie hätte auch gern mit dem Fuß aufgestampft, sah aber davon ab, weil der Wüstensand ihr dabei sicher in die flachen Schuhe gedrungen wäre und sie gepiekst hätte. »Ihr wollt mich also einfach endlos in diesem stickigen Karren durch die Wüste rumpeln lassen? Ich hatte geglaubt, Euch wäre daran gelegen, dass ich Latohor lebend erreiche. Ich spüre bereits jeden einzelnen meiner Knochen, und dieses farb- und formlose Ding, das Ihr aus mir rätselhaften Gründen Kleid nennt, klebt seit geraumer Zeit an meiner Haut. Ich werde es herunterschälen müssen, um es jemals wieder loszuwerden.«
    Obwohl sie zu ihm hochsehen musste, empfand der Hauptmann es so, als sähe sie aus schwindelerregender Höhe auf ihn herab, denn größere Verächtlichkeit konnte wohl kaum jemand in Blick und Stimme legen.
    Doch er wurde erlöst: Ruth, die alte Kammerfrau, beugte sich aus der Kutsche und legte ihrem Schützling die mit Altersflecken übersäte Hand auf die Schulter. »Caitlin, Liebes, du vergisst die begrenzten Möglichkeiten dieser Herren. Auch in einem Zelt wäre es viel zu heiß für uns. Freu dich lieber darauf, dass du bald ein erfrischendes Bad und kühlen Wein genießen kannst. Der Hauptmann wird dafür Sorge tragen, dass es dir an nichts fehlen wird, sobald wir Tegris erreicht haben. Ich werde dir die Zeit bis dahin vertreiben und dir eine Geschichte erzählen. Komm schnell aus der Sonne, Herzchen! Deine Haut rötet sich schon. Du weißt, dass dich vielleicht ein Prinz erwartet. Stell dir vor, du müsstest ihm mit gebräunter Haut begegnen. Die heilige Myria möge das verhüten!«
    »Meine Haut rötet sich?« Wie ein Kleinkind patschte Caitlin in ihrem Gesicht herum. »Es ist ganz heiß. Oh, Göttin, welch schreckliche Welt!«
    Zur Erleichterung des Hauptmanns kletterte sie während ihres Gejammers in den Wagen zurück, und er gab das Zeichen zum Aufbruch. Der Kutscher sah ihn fragend an, offensichtlich in der Hoffnung, ihm würde befohlen werden, das Klopfen aus dem Wageninneren in Zukunft zu überhören, aber diesmal zuckte der Hauptmann die Achseln und seufzte schwer.
    Hermes, sein Fährtenleser, schüttelte den Kopf. »Wenn das Schicksal der Freien Reiche auch von diesem Fräulein abhängen sollte, können wir unsere Hoffnungen begraben.« Ohne auf eine Erwiderung zu warten, gab er seinem Pferd die Hacken und ritt voran.
    Cornelius stimmte ihm insgeheim zu, denn die Prinzessin der Nebelinsel war so verwöhnt, wie sie schön war, und sie war überirdisch schön. Ihr hüftlanges, flammenrotes Haar umrahmte ein herzförmiges Gesicht mit mandelförmigen, veilchenblauen Augen, die von Wimpern beschattet wurden, aus denen man hätte Zöpfe flechten können. Ihre Haut war makellos, ihr kirschroter Mund, zumindest, wenn er geschlossen war, verführerisch, ihre Figur zierlich, und ihre Bewegungen waren so geschmeidig wie anmutig. Der Hauptmann hatte völlig hingerissen geglaubt, einen fleischgewordenen Traum vor sich zu sehen – bis zu dem Zeitpunkt, da er sie überreden musste, auf ihren königlichen Tross zu verzichten und sich als Tochter eines Kaufmanns auszugeben. Ihm schmerzten noch die Ohren von ihrem Gekreische.
    Die Kleider waren eine Zumutung, die Schuhe entwürdigend, der Umhang aus feiner Wolle war nicht mehr als eine Ziegendecke. Es fehlte die gesamte Abendgarderobe, und Nachmittagskleider waren auch nicht vorhanden. Sollten die Lumpen, die sie trug, in der Welt außerhalb ihrer Insel allerdings Nachmittagskleider darstellen, dann fehlte wiederum die Morgengarderobe. Seine Erklärung, viele Frauen der Freien Reiche würden mit nur zwei Kleidern ein Jahr

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