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Das Weltgeheimnis (German Edition)

Das Weltgeheimnis (German Edition)

Titel: Das Weltgeheimnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas de Padova
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theoretischen Grundlagen des Fernrohrs hat sich Galilei nie eingehend befasst. Obschon er seinen intellektuellen Abstand zum »einfachen Brillenmacher« derart hervorhebt, ist der Schlüssel zu seinem Erfolg nicht das angebliche, tief gehende Verständnis optischer Phänomene. Anders als seine selbstgefälligen Zitate vermuten lassen, schaut der Akademiker nicht auf Brillenmacher und Handwerker herab. Gerade weil er ihre Fertigkeiten für sich nutzbar macht und weiterentwickelt, erarbeitet er sich den entscheidenden Vorsprung in der Optimierung des Instruments.
    Der nötige Schliff
    Galilei habe ein außerordentliches Gespür dafür gehabt, den Wert von Geräten zu erkennen, die bereits in rudimentärer Form existierten, schreibt der Wissenschaftshistoriker Silvio Bedini. »Indem er sie verbesserte und revolutionäre Anwendungen für sie fand, machte er aus ihnen vielseitige Instrumente für die neue Wissenschaft.« Das gilt für seinen militärischen Kompass, der auf Arbeiten anderer zurückgeht, ebenso wie für das Fernrohr.
    Im Besitz der nötigen Vorabinformationen bedarf es keiner großen Anstrengungen mehr, um herauszufinden, dass die gewünschte Vergrößerungswirkung mit zwei Linsen erreicht werden kann, von denen eine konkav, die andere konvex geschliffen ist: »Nimmt man ein Brillenglas von zirka 30 bis 50 Zentimetern Brennweite, wie es normale Alterssichtige zum Beispiel in einer Lesebrille benötigen, und entfernt es langsam vom Auge, so erscheinen entfernte Objekte mehr und mehr vergrößert, aber auch zunehmend unschärfer«, erzählt Rolf Riekher, ein profunder Kenner der Teleskopgeschichte. »Bringt man gleichzeitig ein stark zerstreuendes Brillenglas, wie es höhergradig kurzsichtige Brillenträger benötigen, dicht vor das Auge, so gibt es einen bestimmten Abstand für die beiden Brillengläser, wo entfernte Objekte nicht nur scharf und deutlich, sondern auch vergrößert erscheinen.«
    Gleich in der ersten Nacht nach seiner Rückkehr aus Venedig nimmt Galilei diese Hürde. Danach sucht er systematisch nach besseren Linsenkombinationen, um möglichst bald ein mustergültiges Gerät vorführen zu können.
    Rasch stellt er fest, dass Gläser, wie er sie für ein gutes Fernrohr wünscht, im Handel nicht ohne Weiteres erhältlich sind. Sie sind bei Brillenträgern kaum gefragt. Galilei muss daher entweder die Magazine der Brillenmacher durchforsten, die Linsen für das Fernrohr eigens von ihnen fabrizieren lassen oder, besser noch, sie selbst herstellen.
    Er verfolgt im Laufe der Zeit alle drei Strategien. Anders als seine Professorenkollegen kennt Galilei nicht nur Bibliotheken und Hörsäle, sondern knüpft Beziehungen zu Venedigs Handwerkern und hat eine gut funktionierende Werkstatt im eigenen Haus. In einer Ära, in der es noch keine Forschungslabors an den Universitäten gibt und die Verbindungen zwischen Wissenschaft und Technik noch nicht besonders ausgeprägt sind, stellt sich dies als unschätzbarer Vorteil heraus. Seine Werkstatt wird zum Dreh- und Angelpunkt bei der Teleskop-Entwicklung. Er ist ein Bastler und macht sich mit der Technik vertraut, um die Gläser sukzessive den besonderen Ansprüchen anzupassen.
    Bei der Bearbeitung der Linsen legt Galilei selbst Hand an. Aus einer kleinen erhaltenen Einkaufsliste vom November 1609 geht hervor, dass er alles bestellt, was man dazu braucht: Linsen, Spiegelglas, Bergkristall, zum Polieren Tonerde, Pech und Filz, zur Formgebung der Linsen Kanonenkugeln und eine Metallschale aus Eisen. Ein halbes Jahr später teilt er einem Briefpartner mit, er habe sich »einige Apparate« zur Herstellung und Verfeinerung der Linsen ausgedacht.
    Vermutlich fertigt er die nach innen gewölbten Okulare im eigenen Labor an. Diese direkt vor dem Auge platzierten, stark gekrümmten Linsen lassen sich auf der Oberfläche einer Kanonenkugel schleifen, die es seinerzeit in allen möglichen Größen gibt. Da letztlich immer nur ein kleiner Ausschnitt des Okulars für eine gute Sicht benötigt wird, sind die Qualitätsanforderungen hier nicht ganz so hoch.
    Die Crux ist die nach außen gewölbte Objektivlinse, für die man eine entsprechende Schleifschale als Passform benötigt. Bei einem Fernrohr sammelt sie das Licht über die gesamte Fläche ein. Eine gleichmäßige, extrem sanfte Krümmung ist maßgeblich für ihre Vergrößerungswirkung und die Qualität des Bildes.
    Aus Galileis Briefen geht hervor, dass er noch in späteren Jahren große Mühe hat, an geeignete

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