Deer Lake 01 - Sünden der Nacht
stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Mein Dad war auch ein Cop. Glaubst du, du möchtest auch ein Cop werden, wenn du erwachsen bist?«
Jessie schüttelte den Kopf. »Ich werde Beterinärin. Und Prinzessin.« Megan verkniff sich eine Heiterkeitsausbruch. »Das klingt nach einem prima Plan. Was macht denn deine Beterinärin?«
»Sie hilft den Tieren, wenn’s ihnen schlechtgeht, und macht sie wieder gesund.«
»Bestimmt ist das ein guter Job. Ich mag Tiere auch, hab zwei Katzen.«
Jessies Augen wurden ganz groß. »Wirklich? Meine Plüschkatze heißt Whiskers. Meine Oma sagt, ich kann keine echte Katze haben, weil Opa lergisch gegen sie ist.«
»Wie schade!«
»Aber ich hab einen Hund«, sagte sie schnell und rutschte auf ihrem Sitz nach vorn, legte die Arme auf den Tisch, genau wie Megan. »Er heißt Scotch – wie Butterscotch Karamel, du weißt schon. Ein bißchen älter ist er als ich, aber trotzdem mein Hund, Daddy sagt das.«
»Und was Daddy sagt, gilt«, Mitch setzte soeben ein schwerbeladenes Tablett auf dem Tisch ab.
Jessie grinste. »Gilt wo?« Sie krabbelte auf seinen Schoß, als er sich setzte, dann lehnte sie den Kopf zurück und sah ihn von unten an. »Bis in Timbuktu!«
Er schnitt eine alberne Grimasse, umarmte sie und tat so, als würde er sie kitzeln. Jessie kicherte und strampelte. Ein Spiel, das offensichtlich ein Ritus war.
Megan hatte das Gefühl, nicht dazuzugehören. Mitch wollte Zeit mit seiner Tochter verbringen und hatte Megan nur aus Höflichkeit gebeten mitzukommen. Sie biß sich im Geist in den Bauch, weil sie mitgekommen war und versetzte sich einen Tritt, weil sie alle Erinnerungen zugelassen hatte. Eine erwachsene Frau sollte Besseres tun, als sich in Selbstmitleid zu ergehen über ihre gestörte Familie.
»He, O’Malley? Alles okay?«
»Was?« Sie warf einen Blick zu Mitch hinüber und schämte sich, als sie die Besorgnis in seinen Augen wahrnahm. »Ja, klar«. Sie konzentrierte sich auf den in Papier gewickelten Hamburger. Der Geruch gebratener Zwiebeln stieg ihr verlockend in die Nase. »Ich hab nur äh … gerade an den Fall gedacht. Äh, ich sollte vielleicht die Berichte über die Überprüfung der Lebensläufe des Krankenhauspersonals, die die Jungs heute gemacht haben, noch mal durchgehen. Bei der Parade passe ich am besten.«
»Mach doch mal ein bißchen halblang«, sagte Mitch. »Mir ist klar,
daß die Uhr tickt, aber du kannst nicht vierundzwanzig Stunden am Tag arbeiten. Wenn du so hart rangehst, brennst du körperlich und geistig aus, dann nutzt du keinem mehr was.«
Megan hob die Schultern. »Ich hab heute erst zehn Stunden gearbeitet, kann noch ein paar runterschrubben, und es bleiben mir trotzdem noch ein oder zwei für mich.« Sie präsentierte ihm ihr bestes Pokergesicht. »Ich denke nachts besser. Da gibt es nicht so viele Ablenkungen.«
Mitch runzelte die Stirn, sagte aber nichts.
Jessie nahm einen Schluck von ihrer Milch. »Daddy, meinst du – äh -, daß bei der Parade wieder so Männer dabeisind wie beim letzten Mal, solche, die wie Käse angezogen sind? Die waren so lustig.« »Wahrscheinlich, Schätzchen«, murmelte er, sah aber immer noch Megan an.
Jessie stürzte sich in einen detaillierten Bericht über die Fackelparade vom Vorjahr. Und Megan, dankbar für die Ablenkung von Mitchs bohrenden Fragen, konzentrierte sich auf das kleine Mädchen. Bis sie mit ihrer Geschichte fertig war, wäre auch die Mahlzeit zu Ende, und sie könnte sich absetzen. Mitch verdiente ein bißchen Zeit allein mit seiner Tochter, und Megan wollte sich von diesem fremden Milieu zurückziehen und das einzige tun, was sie wirklich beherrschte – sich in ihre Arbeit verkriechen.
20 Uhr 19, – 7 Grad
Megan fuhr durch die menschenleeren Straßen von Deer Lake und verfluchte die Heizung ihres Autos. Wirklich eine lächerliche Jahreszeit für einen Festzug, und trotzdem nahmen scheinbar alle daran teil. Megan fragte sich, wie vielen Spielern von Blechinstrumenten der High School Bands wohl die Lippen am Mundstück anfrieren würden.
Sie erinnerte sich an Jessies Geschichte von der Parade letzten Jahres und mußte lächeln. Die Umzugswagen, die sie in der Garage des alten Feuerwehrgebäudes gesehen hatte, konnte sie sich gut vorstellen, auch die Clowns und die Käsestücke auf Skiern von der Buckland-Käsefabrik, wie sie ausrutschten und hinfielen, sich ineinander verhedderten und wie die Zuschauer auf den Gehsteigen sich vor Lachen bogen.
Wieviel Spaß würde es
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