Deer Lake 01 - Sünden der Nacht
Chief geredet«, maulte er. »Hab nichts mehr zu sagen.«
Achte auf dein Benehmen, Leslie! Sei nicht frech, Leslie. Dreh mir nie den Rücken zu, wenn ich mit dir rede, Leslie.
Die schneidende Stimme in seinem Kopf ließ ihn zusammenzucken. »Es dauert nur eine Minute.«
Wenn er jetzt in sein Büro ging, würde sie ihm folgen. Das wollte er nicht, mochte es nicht, wenn sich da jemand Zutritt verschaffte. Er bekam keine Luft, wenn jemand in seine Sphäre eindrang.
»Ich hab nur ein paar Fragen«, Megan hatte ihn jetzt eingeholt.
Sie roch ihn schon aus zwei Metern Entfernung. Der ranzige Zwiebelgeruch schlechter Hygiene und überaktiver Schweißdrüsen umgab ihn wie schlecht gewordenes Kölnisch Wasser. Er trug denselben Pullover und dieselbe Jacke, die er am ersten Abend angehabt hatte. Das Buch fest an sich gepreßt stand er ihr gegenüber, sein Glasauge starrte ins Leere, während sein gesundes wie ein Irrlicht hin- und herzuckte. »Mr. Swain. Ich weiß, daß Sie hier am Abend, als Josh verschwand, das Eis erneuert haben. Sofort nachdem das Team mit dem Training fertig war, richtig?«
Er nickte.
»Und noch einmal kurz bevor das Seniorenteam spielte?«
Wieder bejahte er.
»Können Sie mir sagen, wo Sie in der ganzen Zeit dazwischen waren?«
»Hier und da.« Er zuckte, erschrocken von seiner eigenen Ruppigkeit. Wag ja nicht in diesem Ton mit mir zu reden, Leslie. Das wirst du bereuen, Mr. Große Klappe. Das wirst du mir bereuen!
Der Ladycop starrte ihn an. Er wollte sie zu gerne wegschubsen, wollte sie ins Gesicht schlagen, damit sie ihn nicht mehr anstarrte; am besten wäre es, sie anzuschreien, sie solle ihn in Ruhe lassen! Aber das konnte er nicht machen, und dieses Wissen gab ihm das Gefühl, schwächlich und mickrig und impotent zu sein. Ein Mickerling, ein Fehler der Natur. Er packte die Colaflasche noch fester und machte ein grimmiges Gesicht: Er strengte sich so an, daß sein kleiner Mund wie ein Hufeisen aussah.
»Kann das irgend jemand bestätigen?« fragte Megan. Ihr Blick huschte hinunter zu Olies Händen, die immer noch in denselben fingerlosen Handschuhen steckten. Er drückte die Flasche so fest, daß sie knackte und die Handschuhe seine Knöchel mit den dünnen blauen Linien auf seinen Fingern freigaben. Ihr Herz zog sich zusammen.
»Ich hab nichts getan«, schnauzte Olie.
»Das hab ich auch nicht behauptet, Mr. Swain«, erwiderte Megan unbeirrt. »Aber wissen Sie, Ihr Van sieht dem, den unser Zeuge beschrieben hat, sehr ähnlich. Wenn Sie ihn nicht gefahren haben, wer dann? Haben Sie einen Kumpel, dem Sie ihn vielleicht geliehen haben? Sie können es mir sagen. Dadurch kriegen Sie keinen Ärger.« »Nein«, keifte er und wiegte sich auf seinen schmuddeligen Nikes hin und her, die Colaflasche quetschte er im Takt.
»Und Sie sagen, Sie waren den ganzen Abend hier, aber Sie haben niemanden, der das bezeugen kann?«
»Ich hab nichts getan!« schrie Olie. »Lassen Sie mich in Ruhe!« Er schleuderte die Colaflasche in das Müllfaß neben der Tür, dann drehte er sich um und rannte in den dunklen Korridor.
»Ich weiß nicht, ob ich das kann, Mr. Swain.« Sie beugte sich mit angehaltenem Atem über das Müllfaß und zog vorsichtig die Colaflasche mit Daumen und Zeigefinger heraus.
20 Uhr 43, – 7 Grad
Die Fackelparade bescherte die üblichen Snowdaze-Traditionen – König Frost und die Königin des Schnees mit Thermalunterwäsche unter ihrer Robe. Das Happy-Hooker-Fischerteam, das seine Angelruten wie Paradegewehre kreiseln ließ, die schnapsseligen Senioren, die mit ihren Mini-Snowmobilen gefährlich von Randstein zu Randstein schlingerten. Es gab von Pferden und von Hunden gezogene Schlitten, und eine Herde Rotarier als Yetis verkleidet. Aber es herrschte, genau wie Mitch vermutet hatte, keine festliche Stimmung. Die Zuschauer, die die Straßen säumten, waren sich der Transparente und Plakate von Josh nur allzu bewußt, nicht zuletzt der Fernsehkameras, die gekommen waren, um die Verzweiflung der kleinen Stadt auf Video einzufangen. Als das Kontingent der Freiwilligenzentrale mit brennenden Kerzen vorbeimarschierte, hörte er, wie die Menschen um ihn herum in Tränen ausbrachen.
Jessie klammerte sich während der ganzen Zeit an Mitch. Sie wurde immer stiller, bis sie schließlich den Kopf auf seine Schulter legte und sagte, sie wolle nach Hause.
Mitch gab ihr einen Kuß auf die Nasenspitze und drückte sie. »Klar, Schätzchen. Und dann schaun wir, ob uns Oma eine heiße
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